Aus eigener schmerzlicher Erfahrung weiß ich, dass es hundertmal besser ist, sein Auto stehen zu lassen, wenn man etwas getrunken hat, als über die umständlichen und überfüllten Öffis zu klagen. Und es ist besser, in aller Bescheidenheit und Demut zu seinen Fehlern zu stehen, als nur bei den anderen nach Fehlern zu suchen. Don't drink and drive!

Das war eine Kombination von Beichte und Predigt, in der das abgestandene "Apage Satanas" endlich einmal durch eine zeitgemäße englische Floskel ersetzt war. Abgehalten wurde sie im "Kurier" vom Sonntag - im Geiste eines wohlverstandenen "Ego me absolvo" - von dem laut "Österreich" coolsten Priester Wiens respektive der derzeit wohl schillerndsten Persönlichkeit des heimischen Klerus. Der aus Gründen der Abwechslung gelegentlich auch Don Promillo gerufene Dompfarrer zu St. Stephan nutzte damit die letzte Gelegenheit zu seiner selbstgestrickten Kirchenbuße, denn am Freitag zuvor hatte "Österreich" auf Seite 1 die frohe Botschaft: Dompfarrer betrunken am Steuer!

Auf Seite 5 des Blattes kehrte sich das übliche Verhältnis von Beichtkind zu Beichtvater um, und "Österreich" zeigte sich spendabel, was das erforderliche Sakrament betrifft, waren dafür doch alle Voraussetzungen gegeben: Dom-Pfarrer beichtet Alk am Steuer, wozu sich auch die erforderliche Bußfertigkeit einstellte: Jetzt übt Pfarrer Faber tätige Reue.

Das kam ein wenig spät, denn die Sünde, wegen der sich der coolste Priester Wiens im Antlitz Fellners geißelte - gula lautet der einschlägige Fachbegriff, sofern man nicht das englische gluttony vorzieht -, liegt bereits einige Zeit zurück: Im Juni wurde Dompfarrer Faber der Führerschein weggenommen - wegen Alkohol am Steuer. Jetzt beichtet er und appelliert für "0,0 Promille". Zu Recht wollte "Österreich" wissen, wieso reden Sie jetzt offen darüber. Und erhielt eine überzeugende Antwort. Weil ich nach den staatlichen Kursen und dem göttlichen Verzeihen meines Versagens nicht auf scheinheilige Weise wieder ein Anstoßgeber sein möchte - gerade in der Adventzeit.

Als Anleitung zur Bußfertigkeit ist die Kombination von staatlichen Kursen und göttlichem Verzeihen unschlagbar, es bleibt nur zu hoffen, dass die tätige Reue des Dompfarrers in der um den Dom blühenden Punschhüttensaison Vorbildwirkung entwickelt. Für Jörg Haider wäre sie auf jeden Fall zu spät gekommen, aber was hätte sie erst bewirkt, hätte Faber gleich nach seinem Sündenfall gebeichtet! Der war, nach österreichischen Verhältnissen, eher harmlos. In der feierlichen Firmstimmung trank er ein Bier, noch ein zweites Bier und stieß mit dem einen oder anderen Glas Wein auf die jungen Firmlinge an.

Wer in diesem Lande würde sich, selbst Monate später, für derlei der Sünde der Maßlosigkeit bezichtigen, und wer gar würde meinen, "die Polizei kontrollierte mich zu Recht"? Da muss man schon einiges mehr dazu tun. Am Abend schließlich stieg er wieder in sein Auto. Er nickte für gefährliche Sekunden ein. Nun heißt es zwar, den Seinen gibt's der Herr im Schlaf, aber wegen eines Sekundenschlafs wird ER sich nicht um die Chance göttlichen Verzeihens und um so viel Werbung für das öffentliche Beichtgeheimnis bringen. Kurz: Der Dompfarrer krachte mit seinem Passat betrunken in eine Leitplanke. Nicht die erste Sünde des Gottesmannes.

Von Freitag bis Montag ließ "Österreich" keinen Tag aus, um den Dornenvogel, der den Schnabel zu tief ins Glas tauchte, wiederzukäuen. Unbeantwortet blieb nur die Frage, ob der Dompfarrer göttliches Verzeihen auch beansprucht hätte, wenn ihn die Polizei, in angemessener Ehrfurcht vor der derzeit wohl schillerndsten Person des heimischen Klerus, nicht gestellt hätte. Vor IHM gibt es keine Fahrerflucht, aber hätte er dann vor "Österreich" die Sünde der Maßlosigkeit gebeichtet?

Kaum zurück von fünf Tagen Exerzitien bei den Hartmann-Schwestern in Kirchberg am Wechsel und erquickt von der Beichte, tauchte er Montag neuerlich in Fellners Beichtspiegel auf. Er ist tatsächlich Wiens coolster Priester. Nach der Alk-Beichte feierte Dompfarrer Toni Faber Samstag zwei Partys. Dort war er als Experte geladen. Fabers Job an diesem Abend: eine Weintaufe. Der Gastgeber war besorgt, Faber wurde mit einem schwarzen Maserati zur Weintaufe chauffiert, hatte also keinen Grund, über die umständlichen und überfüllten Öffis zu klagen. Was den Maserati betrifft: Der katholische Priester zeigte sich danach ehrfürchtig. Ministerin Bures: "Faber jetzt ein Vorbild für andere." Der Lohn: Der "Kaiser", alias Palfrader, will Faber am Donnerstag laden. Consummatum est. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 1.12.2009)