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Minarette nein, Schlote ja: das Minarett eines albanisch-islamischen Zentrums in Winterthur

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Sichtlich enttäuscht gaben die Minister Eveline Widmer-Schlumpf, Doris Leuthard und Moritz Leuenberger das Ergebnis bekannt.

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Daumen hoch gegen Minarette: Walter Wobmann, Initiator der Volksabstimmung, freut sich über 57 Prozent Ja-Stimmen.Foto: APA

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Eine deutliche Mehrheit der Schweizer hat am Sonntag überraschend für ein Bauverbot von Minaretten gestimmt. 57,5 Prozent der Bürger unterstützten die Forderung der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), lediglich in einigen Kantonen votierte die Mehrheit gegen das Verbot.

Während die Initiatoren naturgemäß jubelten und betonten, der Unmut der Bevölkerung sei jahrelang "unter dem Deckel gehalten worden", reagierten Muslime und Kirchen konsterniert. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht die Religionsfreiheit verletzt. Die Initiative sei schlecht für das Image der Schweiz, welche sich der Wahrung der Grundrechte verschrieben habe, sagte die Schweizer Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf.

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In der Schweiz wird der Bau von Minaretten verboten: Überraschend und sehr deutlich hat das Schweizer Volk am Sonntag ein entsprechendes Volksbegehren aus dem rechtskonservativen Lager angenommen. Das Resultat ist eine klare Niederlage für die Regierung, politische Parteien, Wirtschaftsverbände und Kirchen - und eine schallende Ohrfeige für die 400.000 Muslime in der Schweiz.

Vier Minarette stehen derzeit in der Schweiz, und dabei soll es auch bleiben. Mit fast 60 Prozent Ja-Stimmen haben die Schweizer dem Volksbegehren zugestimmt, das von Exponenten der rechtskonservativen Volkspartei SVP und der evangelikalen Splitterpartei EDU eingeleitet worden war. Lediglich in den Westschweizer Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt sowie im Stadtkanton Basel wurde das Verbot abgelehnt.

Die Regierung und die meisten politischen Parteien hatten das Begehren abgelehnt, und auch in den Meinungsumfragen im Vorfeld hatte eine Mehrzahl der Bürger angegeben, gegen das Volksbegehren zu sein. So gab es aufseiten der Gegner keine große und publikumswirksame Abstimmungs-Kampagne. Davon profitierten die Initiatoren, die mit ihrer provokanten und schlagkräftigen Propaganda den Nerv der Bevölkerung besser trafen und letztlich einen Stimmungsumschwung bewirkten: Eines ihrer Plakate zeigte eine verschleierte Muslimin, dahinter, schwarz auf rot-weißem Grund, reckten sich Minarette, Raketen gleich, drohend in dem Himmel.

"Großes Unbehagen"

Mit andern Worten: Ihren Kampf gegen die Minarette sahen die Gegner als Kampf gegen einen muslimischen Machtanspruch, oder wie es der Vorsitzende der SVP, Toni Brunner, am Sonntag in einer ersten Reaktion sagte: "Das Resultat bringt klar zum Ausdruck, wie groß das Unbehagen der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gegen eine schleichende Islamisierung des Landes ist."

Bemerkenswert auch die Argumentation der SVP, im Islam hätten die Frauen keine Rechte - dies ausgerechnet von der Partei, deren Abordnung im nationalen Parlament die wenigsten Frauen stellt und die als einzige Partei keine Frau in die Regierung entsandt hatte, weil sie ihre gewählte Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf aus der Partei ausgeschlossen hatte.

Große Enttäuschung

Mit großer Enttäuschung reagierten die Vertreter der islamischen Gemeinschaften. "Das Ergebnis ist der Tradition und der Geschichte der Schweiz unwürdig, denn man setzt eine Minderheit unter Druck und erlässt Ausnahmegesetze", sagte etwa der in Bern lehrende Soziologe Farhad Afshar gegenüber Tages-Anzeiger Online. Den Initiatoren sei es "gelungen, die Ängste, die man im Ausland gegenüber dem Islam hat, auf die Schweiz zu übertragen". Dabei seien die Muslime in der Schweiz viel besser integriert als etwa in Frankreich oder Deutschland, so Afshar, der Vorsitzende der Koordination Islamischer Organisationen.

Doch das Resultat zeigt, dass von wirklicher Integration noch nicht gesprochen werden kann und dass es immer noch starke Vorbehalte und Vorurteile gegenüber den Muslimen in der Schweiz gibt. Nach den Christen sind sie heute die zweitgrößte religiöse Gruppe - und die am schnellsten wachsende. Heute leben 400.000 Muslime hier, das sind gut fünf Prozent der Bevölkerung; 1990 waren es noch 150.000 gewesen, 1980 erst 60.000.

Deutlich abgelehnt haben die Schweizer Bürger im Übrigen ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten. In Zeiten der Wirtschaftskrise dominierte der drohende Verlust von Arbeitsplätzen über das Argument, mit Schweizer Waffen dürften keine Konflikte angeheizt werden. (Klaus Bonanomi aus Bern/DER STANDARD, Printausgabe, 30.11.2009)