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Ein FDLR-Soldat im Demobilisierungscamp in Luvungi, 60 südlich der ostkongolesischen Stadt Bukavu, Hauptstadt der Provinz Süd-Kiv.

Foto: EPA/Ricky Gare

"Wenn man ein bisschen tiefer reinschaut, kann einem Angst und Bange werden". Das sagt Demobilisierungsexperte Harald Hinkel über die kongolesische Rebellenarmee FDLR (Forces Démocratiques de la Libération du Rwanda) im Gespräch mit derStandard.at. Die Rede ist von rund 6.000 Kämpfern der Hutu-Rebellen im Ost-Kongo, die an zahlreichen Verbrechen in den an Ruanda angrenzenden Landesteilen der Demokratischen Republik Kongo beteiligt sein sollen. Bei diesem bewaffneten Konflikt sollen die Milizionäre der FDLR von Januar 2008 bis Juli 2009 Zivilisten getötet, Frauen vergewaltigt, Dörfer geplündert und gebrandschatzt, die Dorfbewohner zum Teil vertrieben und Kinder als Soldaten zwangsrekrutiert haben.

Harald Hinkel erklärt die FDLR zum größten Hindernis für den Frieden. Hinkel hat für das Mehrländer-Demobilisierungs- und Reintegrationsprogramm (Multi Country Demobilization and Reintegration Program, MDRP) der Weltbank gearbeitet. Das MDRP unterstützte zwischen 2002 und Juni 2009 den Truppenabzug und Truppenabbau in der Region der Großen Seen Zentralafrikas (Angola, Burundi, Zentralafrikanische Republik, Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo, Ruanda und Uganda). Dabei wurden rund 280.000 Ex-Kombattanten, mehr als zwei Drittel der ehemaligen Kämpfer, entwaffnet. Mehr als 200.000 Ex-Kombattanten wurden bei der Reintegration unterstützt.

Hinkel nennt die FDLR "einen internationalen Ring" mit einer "sicherlich hochmafiösen Struktur", ein weltweites Netzwerk das nur teilweise zutage tritt und dem eine Reihe von mehr oder weniger formellen Unterstützungsnetzen zuarbeiten".

UNO-Bericht

Auch laut dem Bericht der UNSC-Group of Experts kann sich die Rebellenorganisation auf ein großes Netz an Unterstützern auf der Welt verlassen, darunter auch in den USA und in Europa. Ihr Chef, Ignace Murwanashyaka, wie auch dessen Stellvertreter wurden erst vor zwei Wochen in Deutschland festgenommen.

"Der UNSC group of Experts-Bericht wird eine Menge mehr ans Tageslicht bringen", sagt Hinkel. Bereits vor seiner offiziellen Vorstellung habe er "für reichlich Aufregung" gesorgt. "Wenn wir mal von der Rolle Frankreichs absehen, das lange zumindest nicht unternommen hat und eine Menge Zwielichtiger beherbergt, glaube ich, dass es an unzureichender Ermittlung und an fehlendem Werkzeug liegt. Lange war das Element fehlenden Interesses ebenso ein klares Manko."

Der Bericht zeigt, dass die Unterstützer den Rebellen der Demokratischen Streitkräfte zur Befreiung Ruandas helfen, an Waffen zu kommen und Geld zu transferieren. Der internationalen Gemeinschaft ist es demnach noch nicht gelungen, die Logistik der FDLR zu unterbrechen. Unterstützer in Nordamerika, Europa und Afrika seien zum Rückgrat der Operationen der FDLR geworden, auch bei der Entwicklung der Militärstrategie, heißt es. Die Vereinten Nationen werfen auch den kongolesischen Streitkräften vor, Waffen und Munition an die Rebellen zu verschieben. Ein kongolesischer Offizier wies dies aber zurück.

Hinweise auf Unterstützung

Was aus dem Bericht im UNO-Sicherheitsrat passieren wird, ist noch unklar. Aus diplomatischen Kreisen verlautete aber, es gebe im Sicherheitsrat Bestrebungen, den Bericht zu vertagen, da es darin auch Hinweise gebe, dass die Rebellen aus einigen Mitgliedsländern unterstützt würden.

Laut dem UNO-Bericht gibt es Hinweise, dass der in Deutschland festgenommene Rebellenchef Ignace Murwanashyaka bei Waffenlieferungen geholfen sowie Geldtransfers organisiert hat und in direktem Kontakt zu dem Kommandeur im Ostkongo, General Sylvestre Muducumura, stand.

Neben Deutschland gab es besonders viele telefonische Kontakte in fünf weitere Länder, darunter Belgien und Frankreich. Die Vereinten Nationen konnten einige Kontakte auch bis zu katholischen Wohltätigkeitsorganisationen in Spanien zurückverfolgen. Daneben habe es auch Kontakte von FDLR-Kommandeuren zu Regierungsvertretern in Tansania und Burundi.

UNO-Offensive gescheitert

Eine Offensive der kongolesischen Streitkräfte gegen die FDLR zu Beginn des Jahres ist weitgehend gescheitert. Die Miliz konnte zwar zunächst aus strategischen Positionen vertrieben werden, hat das verlorene Gebiet seitdem aber wieder weitgehend zurückerobert. ie Vereinten Nationen haben eine ausgesprochen negative Bilanz ihres Militäreinsatzes im Kongo (MONUC) gezogen. Die Unterstützung für die im Osten des afrikanischen Landes gegen ruandische Rebellen vorgehenden kongolesischen Truppen sei gescheitert, erklärten Experten der Weltorganisation in einem Bericht, den Reuters am Mittwoch einsehen konnte. Statt die Ursachen der Gewalt zu beseitigen, habe der weltweit größte Friedenseinsatz der UNO den Konflikt in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu sogar verschärft.

Der Militäreinsatz habe nicht dazu geführt, die Rebellen der Demokratischen Kräfte für die Befreiung Ruandas (FDLR) auszuschalten, kritisierten die Experten. Die Lage der Menschen in den beiden Kivu-Provinzen habe sich verschlechtert, die Bewegung der kongolesischen Tutsi-Rebellen an Einfluss gewonnen. Mit Unterstützung der 20.000 MONUC-Soldaten war die kongolesische Armee dieses Jahr gegen die FDLR in die Offensive gegangen. Die UNO setzte diesen Monat die Unterstützung für kongolesische Einheiten aus, die für den Tod von 60 Zivilisten im verantwortlich gemacht wurden, verteidigte aber ihre Gesamtstrategie.

Die UN-Experten verwiesen auf "den möglichen Widerspruch zwischen dem MONUC-Mandat, vorrangig Zivilisten zu schützen, und der logistischen Unterstützung der Armee, die sich weiterhin an der Zivilbevölkerung vergreift". Während der UNO-Sicherheitsrat zweimal den Einsatz im Kongo verlängerte, beklagten Menschenrechtsgruppen und Hilfsorganisation die Vertreibung von Millionen Menschen, Tausende Vergewaltigungen und Hunderte Morde. Ein MONUC-Sprecher wollte den Bericht nicht kommentieren. (fin/APA/Reuters, derStandard.at, 10.12.2009)