"Kann Williams mit den gleichen finanziellen Möglichkeiten wieder voll konkurrenzfähig werden? Meine Antwort ist ja."

Foto: Bavariasports

Toto Wolff auf dem Weg zum österreichischen Rallye-Vizemeistertitel 2006: "Im Rallyesport sieht man deutlicher, wer Herz hat."

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Wien – Christian "Toto" Wolff ist beileibe kein Neuling im Motorsport: Er ist nicht nur Teilhaber der deutschen Rennsportfirma HWA und Gesellschafter des Baumschlager Rallye Racing Teams, sondern bringt als österreichischer Rallye-Vizemeister und ehemaliger Sportwagen-Pilot auch ein hohes Maß an Rennerfahrung mit. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde der 37-Jährige aber erst bekannt, als er am 20. November 2009 von Williams F1 als neuer Teilhaber präsentiert wurde, dies wohlgemerkt als erster Neuzugang seit der Gründung des englischen Teams im Jahr 1977. Philip Bauer sprach mit Toto Wolff nicht nur über diesen überraschenden Deal.

derStandard.at: Angenommen Sie hätten keinerlei Bezug zum Motorsport, würden Sie als "gewiefter Geschäftsmann", wie Sie Frank Williams bezeichnet, dennoch in die Formel 1 investieren?

Toto Wolff: Die Formel 1 war bis dato ein Marketing-Instrument der großen Hersteller, die haben hunderte Millionen hineingepumpt, um ihr Image zu verbessern und sportlich zu reüssieren. Auf der anderen Seite standen die Einnahmen, die das FOM, also das "Formula One Management" ausschüttet, in keinem Verhältnis. Es wurden vielleicht 20 Prozent der Ausgaben gedeckt. Durch das von der FIA abgesegnete "Resource Restriction Agreement" kommt es 2011 zu einer massiven Kostenreduktion, auf der anderen Seite steigen gleichzeitig die Einnahmen aus den FOM-Rechten. Ein Team arbeitet dann mit einem Budget von rund 100 Millionen Dollar und kann, wenn es sich im mittleren Feld platziert, mit rund 40 bis 50 Millionen Einnahmen durch Bernie Ecclestone rechnen. Man kann also bereits die Hälfte nur durch die Ausschüttung der Vermarktungsrechte finanzieren. Damit kehrt das Business-Modell auf eine vernünftige Basis zurück.

derStandard.at: Die Leidenschaft des Rennfahrers haben Sie bei Ihrer Entscheidung zur Investition also hintangestellt?

Toto Wolff: Ich habe versucht komplett unemotional, nach dem Business Case in ein Unternehmen zu investieren. Das Geschäftsszenario von Williams sehe ich wie folgt: Es handelt sich neben Ferrari und McLaren um eine der drei historisch wertvollsten Marken innerhalb der Formel 1, diese wiederum stellt selbst eine der wertvollsten Sportmarken überhaupt dar. Da zudem auch das Geschäftsmodell für die Teams künftig gewinnbringend ist, kann ich bestätigen: Williams ist hochprofitabel.

derStandard.at: Man könnte jetzt fast annehmen, es handle sich um eine konservative Geldanlage. Ich hätte noch 200 Euro in der Tasche.

Toto Wolff: Nein, eine sichere Geldanlage ist Private Equity nie. Es kann leider auch passieren, dass die durch die FOM lukrierten Einnahmen zurückgehen oder Sponsoren nicht gefunden werden. Im jetzigen Umfeld lassen sich die Einnahmen durch die FOM in den nächsten zwei Jahren aber relativ klar abschätzen. In diesem Zeitraum ist das Geschäftsmodell abgesichert.

derStandard.at: Die Zeiten, in denen Sie Ihre Tätigkeit als Sportmanager als "Hobby und Spleen" bezeichnet haben, scheinen endgültig vorbei. War der Sport für Sie früher nur Kostenpunkt?

Toto Wolff: Der Sport war in meinem Leben Kostenpunkt bis zu meiner Beteiligung an der HWA. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die Situation gewandelt. Ich hatte das große Glück, meinen Spleen mit meinem Basisgeschäft, nämlich dem Beteiligungsgeschäft zu verbinden. Das Beteiligungsgeschäft interessiert mich heute nur noch insofern, als es mit dem Motorsport in Verbindung steht.

derStandard.at: Manche Medien meinen, Frank Williams hätte nur aufgrund der angespannten Finanzsituation des Teams einen neuen Teilhaber an Bord geholt. Eine Einschätzung, die Sie teilen?

Toto Wolff: Die beiden Shareholder, nämlich Frank Williams und Patrick Head, gehen allmählich auf die Ende Sechzig zu. Sie müssen nun an die nächste Generation und die Zukunft ihrer Firma denken. Sie wissen, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen potenziellen Investoren ein langfristiges Interesse an der Firma habe. Für Williams war es ein guter erster Schritt in Richtung Zukunftsabsicherung. Für mich die Gelegenheit, bei einem Top-Team der Formel 1 einzusteigen. Eine Win-Win-Situation. Die Bilanz des Unternehmens kann jeder einsehen, es ist per Jahresende relativ unverschuldet und, wie bereits erwähnt, äußerst profitabel. Von einer angespannten Finanzsituation kann also keine Rede sein. Manches renommierte Unternehmen würde sich über diese Margen freuen.

derStandard.at: Bisher waren die Verhältnisse bei Williams ganz klar abgesteckt: 70 Prozent lagen bei Frank Williams, 30 Prozent bei Patrick Head. Warum ist man jetzt nicht um Transparenz bemüht, sondern spricht bei Ihrem Anteil von einem Minderheitsanteil im zweistelligen Bereich?

Toto Wolff: Es handelt sich hier nicht um eine einfache Transaktion, bei der ich so und so viel Prozent erwerbe. Vielmehr galt es ein Modell zu erstellen, innerhalb dessen ich meine Beteiligung per Option über die nächsten Jahre ausbauen kann. Ich möchte aber nicht alle drei Monate über ein neues Beteiligungsverhältnis informieren, deshalb haben wir uns für den Moment darauf geeinigt, lediglich den "Minderheitsanteil" zu kommunizieren.

derStandard.at: Frank Williams hat in den letzten Jahren Weltkonzerne wie BMW abblitzen lassen. Ist ihm ein Privatinvestor als Teilhaber lieber?

Toto Wolff: Die Zukunft des Unternehmens wird mit einem Hersteller, der jederzeit aussteigen kann, nicht langfristig abgesichert. So ist Peter Sauber zum Beispiel derzeit verzweifelt bemüht, seinen Mitarbeitern irgendeine Zukunft zu bieten. Ein Hersteller will zudem immer die vollständige Kontrolle übernehmen, das kommt für Frank Williams nicht in Frage, er will das Unternehmen weiterhin leiten. Und das ist auch gut so.

derStandard.at: Williams hat gesagt: "Wenn Toto eine Meinung hat, werden wir ihm zuhören" – wie oft wollen Sie eine Meinung haben?

Toto Wolff: Ich habe einen regen Austausch mit den Beteiligten, wir telefonieren sehr häufig. Zudem bin ich eines von sechs Vorstandsmitgliedern, die ein monatliches Meeting abhalten. Ich werde mich zwar nicht in das tägliche Geschäft einbringen, aber sehr wohl bei strategischen Entscheidungen involviert sein.

derStandard.at: Bei der Fahrer-Entscheidung waren Sie noch nicht eingebunden. Ist die Paarung Rubens Barrichello und Nico Hülkenberg dennoch nach Ihrem Geschmack?

Toto Wolff: Absolut, meine Meinung hätte sich mit der des Teams gedeckt. Eine vernünftige Entscheidung, zumindest für das kommende Jahr.

derStandard.at: Bei Williams hinkte man in den letzten Jahren doch den großen Erfolgen der Neunziger hinterher. Woran hat es gekrankt und wie kann man wieder zur Spitze zurückkehren?

Toto Wolff: Man musste gegen Teams antreten, die das dreifache Budget hatten, die auf Hersteller-Ressourcen zurückgreifen konnten. Drei dieser Hersteller sind nun weg und auch Mercedes ist darauf bedacht, die Kosten in Zaum zu halten. Jetzt stellt sich die Frage: Kann Williams mit den gleichen finanziellen Möglichkeiten wieder voll konkurrenzfähig werden? Meine Antwort ist ja. Vor allem weil sie all die Jahre mit deutlich geringeren Ressourcen haushalten mussten und dennoch halbwegs mithalten konnten. Zudem darf man nicht vergessen, dass die 34,5 Punkte im letzten Jahr von nur einem Fahrer erzielt wurden. Das wird in Zukunft ausgewogener sein. Die Ansätze versprechen jedenfalls Gutes, aber am Ende entscheidet noch immer die Stoppuhr.

derStandard.at: Sie sprachen kürzlich auch die Ihnen wichtige Tradition des Williams-Teams an. Tradition spielt ja mittlerweile in der Formel 1 eher eine untergeordnete Rolle, siehe Rennstrecken. Eine Entwicklung, die Ihnen missfällt?

Toto Wolff: Ja, die Rennstrecken werden immer mehr zu Retortenrennstrecken. In Kombination mit den technischen Entwicklungen, die das Überholen immer schwieriger gemacht haben, wäre es mein Wunsch, an Orte zurückzukehren, an denen Rennfahren auch Rennfahren bleibt. Wo es auch an manchen Stellen gefährlich ist, der Rennfahrer Mut und Herz beweisen muss und nicht 170 Meter asphaltierte Auslaufzone zur Verfügung hat. Im Rallyesport sieht man deutlicher, wer Herz hat. Und in der Eau Rouge.

derStandard.at: Aber muss Herz im Rennsport mit gesundheitlichem Risiko einhergehen?

Toto Wolff: Nein, Herz ist damit verbunden, dass der Fahrer an manchen Stellen schneller fährt, wo ein anderer zuckt. Spa-Francorchamps ist eine Strecke, die ebendas fordert, genauso wie Silverstone. Viele Strecken verlangen das heute nicht mehr.

derStandard.at: Und wie sieht es mit der Tradition der Motorsport-Fans in Europa aus?

Toto Wolff: Es können auch neue Fans in neuen Märkten entstehen. Um den Mythos der Formel 1 zu erhalten, sollte aber die Balance zwischen neuen, exotischen Austragungsorten mit hohen Einnahmen und den traditionellen Rennstrecken gewahrt bleiben.

derStandard.at: Sie sind schon länger im Motorsport engagiert, betreten mit der Formel 1 jetzt die große Bühne. Reizt auch das Rampenlicht?

Toto Wolff: Überhaupt nicht. Das boulevardeske Umfeld erfüllt mich mit Schaudern. Mich interessiert nur der Sport und das Geschäft. Aus diesem Grund liebe ich auch den Rallyesport, dort geben die Leute fernab von VIP-Räumen ihr letztes Hemd für den Motorsport.

derStandard.at: Dennoch sind Sie in den letzten Jahren mit ihrem Privatleben einige Male auf die Boulevardseite gerutscht. Angst davor, dass dies nun häufiger passieren könnte?

Toto Wolff: Ich wollte das nie so und werde auch künftig alles tun, um dem Boulevard aus dem Weg zu gehen.

derStandard.at: Man erzählt sich, eine Ihrer ersten guten Geschäftsideen wäre es gewesen, beim Lichtermeer 1993 in Wien Kerzen zu verkaufen. War das damals wirklich so?

Toto Wolff: (lacht) Ja, das haben wir gemacht. Es gab damals den populistischen Ruck in Österreich, mein bester Freund war Jude, mein zweitbester ein Palästinenser. Wir wollten das Lichtermeer unterstützen, daraus ist eine kommerzielle Idee entstanden. Wir haben einige tausend, wenn nicht zehntausend Fackeln verkauft. Aber ich möchte auch festhalten: wir haben viel von dem Geld gespendet. (derStandard.at; 26. November 2009)