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Kredite an Großbanken, die heimlich abgewickelt wurden, bringen den britischen Schatzkanzler Alistair Darling in Bedrängnis.

Foto: Reuters/Chris Ratcliffe

Geheime Milliardenkredite der Zentralbank für englische Bankrottbanken fallen Finanzminister Alistair Darling nachträglich auf den Kopf. Aktionäre fühlen sich getäuscht und erwägen eine Klage.

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London - Der britische Schatzkanzler Alistair Darling hat die Bank von England gegen den Vorwurf der Geheimniskrämerei verteidigt. Die britische Zentralbank verschwieg mehr als ein Jahr lang, dass sie auf dem Höhepunkt der Bankenkrise 2008 den Großbanken Royal Bank of Scotland (RBS) und Halifax (HBOS) kurzfristige Kredite von bis zu 68,4 Milliarden Euro gewährt hatte. Die geheime Finanzhilfe sei "im öffentlichen Interesse gewesen" , sagte Darling Mittwoch im Unterhaus. Der liberaldemokratische Oppositionssprecher Vince Cable sprach von einem "schockierenden Cover-up" .

Der Finanzminister erinnerte das Parlament an die schwierige Situation Anfang Oktober vergangenen Jahres, als "das weltweite Bankensystem kurz vor dem Zusammenbruch stand" . Deshalb sei das heimliche Einschreiten der Zentralbank notwendig gewesen. Tatsächlich hatte das Parlament dem Zentralbank-Gouverneur Mervyn King ausdrücklich diese Handhabe erteilt. Dies war eine Reaktion auf die Beinahepleite der Hypothekenbank Northern Rock im September 2007, als King erst nach langem und öffentlichem Zögern helfend eingriff.

Kritik an Verheimlichung

Wie schlecht es um RBS und HBOS bestellt war, wurde bereits wenige Tage nach den geheimen Notkrediten offenkundig. Am 13. Oktober veröffentlichte Darling sein Bankenrettungspaket, mit dem die britischen Steuerzahler Mehrheitsanteile an den bankrotten Banken übernahmen. Die Kritik der Opposition besteht deshalb auch nicht an den Krediten selbst, sondern an ihrer langen Verheimlichung. RBS zahlte sämtliches Notgeld sowie die entsprechenden Gebühren kurz vor Weihnachten 2008 zurück, HBOS im Jänner dieses Jahres - kurz nachdem das Institut von der Lloyds-Gruppe übernommen worden war. RBS gehört mittlerweile zu 84 Prozent dem britischen Staat, bei Lloyds beträgt der Anteil 43 Prozent.

Dass rund 800.000 Lloyds-Aktionäre im Dunkeln darüber tappten, wie verheerend die Lage von HBOS war, hält die britische Aktionärsvereinigung UKSA für einen Skandal. Noch in dieser Woche wollen die Kleinaktionäre darüber entscheiden, ob sie gerichtlich gegen Lloyds vorgehen.

Dessen Aktie hat in den vergangenen Tagen deutlich hinzugewonnen - Reaktion der Märkte auf den Rabatt von knapp 60 Prozent, mit dem das Institut seine Aktionäre zum Kauf neuer Anteile bewegen will. Insgesamt 13,5 Milliarden Pfund (14,9 Mrd. Euro) sollen beim größten Kapitalbeschaffungsprogramm in der Geschichte der Londoner Börse in die Kasse kommen. Allein der Staat erwirbt neue Aktien für 5,8 Mrd. Pfund. Mit der Finanzspritze will Lloyds der Beteiligung an einer Regierungsversicherung gegen Kreditgiftmüll entgehen, die seit vergangenen Februar im Gespräch ist. Allein für die "implizite Garantie" , so Schatzkanzler Darling, muss der Konzern 2,5 Mrd. Pfund bezahlen.

Ebenfalls am Mittwoch verweigerte der oberste Gerichtshof in London dem Gewerbeaufsichtsamt die Erlaubnis, Obergrenzen für Bankgebühren festzulegen. Damit können die Institute weiterhin bis zu 30 Pfund von Kunden verlangen, deren Girokonten für einen Tag um einen Penny ins Minus geraten. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.11.2009)