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Letzte Woche diskutierte Rektor Winckler erstmals offiziell mit Audimax-Besetzern. Er schlägt eine Teilzeit-Besetzung vor - ab 17 Uhr soll der Saal den Besetzern zur Verfügung stehen.

Foto: AP/Lilli Strauss

UniStandard: Wann waren Sie zum letzten Mal im Audimax?

Winckler: Anfang November.

UniStandard: Sie haben sich also den besetzten Hörsaal angesehen?

Winckler: Ja, sicher.

UniStandard: Und welchen Eindruck haben Sie gewonnen?

Winckler: Ich war dort zu Zeitpunkten, als der Audimax nicht sehr besetzt war. Teilweise hatte ich den Eindruck, dass die BesetzerInnen sich häuslich eingerichtet haben.

UniStandard: Was halten Sie generell von den Studentenprotesten?

Winckler: Man muss verschiedenste Punkte unterscheiden. Das eine sind Punkte, wo es wichtig ist, dass die Politik sich damit beschäftigt. Etwa die Frage der Universitätsfinanzierung. Dann gibt es eine Reihe von universitätsspezifischen Punkten, da steht im Zentrum die Curriculumentwicklung. Der Senat, der dafür per Gesetz zuständig ist, hat schon angekündigt, dass er sich damit auseinandersetzen wird.

Dann gibt es noch Punkte, die über das, was Politik und Universitäten entscheiden können, hinausreicht. Etwa die Frage der Befindlichkeit in einer modernen Gesellschaft. Damit muss sich die Gesellschaft insgesamt beschäftigen. Aber zunächst müssen auch Politik und die Universitäten Antworten parat haben.

UniStandard: In Deutschland und den USA sind besetzte Hörsäle rasch wieder geräumt worden. Warum haben Sie diesen Schritt bisher vermieden?

Winckler: Vor Hahns Hochschul-Dialog sind wir davon ausgegangen, dass auf allen Seiten Dialogbereitschaft eingemahnt werden muss, und wir haben uns bis dahin nicht dazu gedrängt gefühlt, dass die Audimaxbesetzung beendet werden muss. Jetzt ist es sicherlich ein Thema, das wir dem Minister sehr wohl nennen werden, weil es klar ist, dass irgendeine konstruktive Exit-Strategie entwickelt werden muss. Es kann ja kein Dauerzustand sein, noch dazu, weil der Universität durch die Besetzung erhebliche Kosten erwachsen.

UniStandard: Wie könnte eine Exitstrategie konkret aussehen?

Winckler: Wenn man in das Audimax geht und zu vielen Zeiten nur sehr wenige dort sind, könnte man sagen: Okay, wir machen um 17 oder 18 Uhr Ringveranstaltungen, die von den Besetzern organisiert werden. Aber davor ist der Hörsaal anderweitig benutzbar. Er muss ja nicht rund um die Uhr besetzt sein.

UniStandard: Üben hier die Dekane Druck auf Sie aus?

Winckler: Es sind nicht die Dekane, sondern der Druck kommt von der Öffentlichkeit. Der Steuerzahler versteht nicht, warum man für die Audimaxbesetzung so viel Geld ausgeben soll, wenn man die Anliegen vielleicht auch anders transportieren kann als durch die Besetzung.

UniStandard: Die Studierenden der Uni Wien kritisieren sehr stark eine Verschulung des Studiums. Können Sie das verstehen?

Winckler: Was in den Diskussionen im Audimax immer eine Rolle gespielt hat, das sind die sogenannten Voraussetzungsketten. Es gibt welche, die fachlich bedingt sind, und es ist eine Illusion zu glauben, dass man überhaupt keine Voraussetzungsketten braucht. Doch die Frage ist auch, ob es zu viele Voraussetzungsketten in den Curricula gibt, und das wird in den Diskussionen zu entscheiden sein.

UniStandard: Was halten Sie persönlich vom Bologna-Prozess?

Winckler: Es gibt sicherlich Diskussionsbedarf und vielleicht auch Verbesserungsbedarf.

UniStandard: Was erwarten Sie vom neuen Wissenschaftsminister?

Winckler: Österreich ist sicherlich, was die Universitätsfinanzierung anlangt, höchstens Durchschnitt in Europa. Wenn wir eine bessere Universitätsfinanzierung hätten, die gekoppelt ist mit entsprechenden Anreizmechanismen durch die Politik, könnten wir nachhaltig mehr Breite und mehr Spitze im österreichischen Universitätssystem haben.

UniStandard: Die Besetzer fordern eine Milliarde mehr für die Universitäten. Halten Sie das für utopisch?

Winckler: Nein. Sie sind derzeit bei 1,3 Prozent des BIPs, wenn Sie das erhöhen um 0,7 Prozent auf zwei Prozent des BIPs, dann ist das mehr als eine Milliarde.

UniStandard: Was halten Sie von Ausgleichszahlungen zwischen Deutschland und Österreich?

Winckler: Man kann sich vieles wünschen, wenn es käme, wär's nicht schlecht. Nur, glaube ich, muss man realistisch sein. Warum sollte die Bundesrepublik Deutschland bereit sein, in Österreich Studienplätze in Bereichen zu finanzieren, die für Deutschland nicht prioritär sind?

UniStandard: Sind Sie als Rektor der Uni Wien ein bisschen stolz, dass gerade das Audimax Ihrer Uni so symbolträchtig besetzt wird?

Winckler: Ich finde, es ist gelungen, dem Thema Bildung eine hohe mediale Präsenz zu geben. Das ist sicherlich ein Positivum. Die Rektoren haben seit Jahren darauf hingewiesen, dass es hier ein Problem gibt, und das ist von der Politik nicht sehr ernst genommen worden. Andererseits ist es natürlich klar, dass eine andauernde Audimaxbesetzung nicht etwas ist, auf das man stolz sein kann.

UniStandard: Waren Sie selbst als Student in Proteste involviert?

Winckler: Ich habe '68 studiert. Damals war ich in Wien und Princeton. In Princeton ist es viel ruhiger zugegangen. Vietnam war dort ein Thema. Viele meiner Freunde aus Princeton mussten nach Vietnam. Das löste persönliche Betroffenheit aus. In Wien habe ich mich beteiligt in einer Demonstration gegen einen Schah-Besuch. (Romana Riegler und Tanja Traxler/DER STANDARD-Printausgabe, 26. November 2009)