Wien - 35 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,55 Meter:Diesen Zustand seiner 69-jährigen Frau hat ein 74-jähriger Wiener "falsch eingeschätzt, keine Frage". Denn die Folge der Fehleinschätzung war der Hungertod der schwer gehbehinderten Frau - die der Mann im vergangenen März für längere Zeit in der ehelichen Wohnung mit wenigen Lebensmitteln zurückließ, um sich auf Geschäftsreise in die Schweiz und zum Skifahren nach Tirol zu begeben. Am Montag stand er deshalb vor dem Wiener Straflandesgericht.

Der Schöffensenat unter Vorsitz von Minou Aigner erklärte sich allerdings am Ende des Prozesses für nicht zuständig: statt Vernachlässigung einer wehrlosen Person soll der 74-Jährige nun im kommenden Jahr wegen Mordes durch Unterlassung vor Geschworenen zur Verantwortung gezogen worden. Diese Entscheidung ist allerdings nicht rechtskräftig.

"Ich habe über das lange nachgedacht. Ob ich im Sinne des Gesetzes schuldig bin, weiß ich nicht. Ich fühle mich moralisch verantwortlich, dass ich nicht intensiver versucht habe, meine Frau zu einem Arzt zu bringen. Ich hätte das gegen ihren Widerstand machen müssen" , kommentierte der 74-Jährige den Vorwurf, sich nicht entsprechend um seine Frau gekümmert zu haben.

Dieser Meinung war auch Gerichtsmediziner Johann Missliwetz: "Hätte man die Frau Tage oder Wochen vorher in ein Krankenhaus verschafft, wäre der Tod abzuwenden gewesen." (DER STANDARD, Printausgabe, 24.11.2009)