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Foto: AP/Wijngaert

"Wer hätte gedacht, dass sie einmal in dieser Rolle endet." In dem Stoßseufzer eines Londoner Insiders, der Catherine Ashton (53) seit Jahren aus der gemeinsamen Arbeit für Labour kennt, mischen sich Erstaunen, Ungläubigkeit und Respekt. Die bisherige Handelskommissarin und nunmehr erste EU-Außenministerin begegnet den Zweiflern mit der Nüchternheit ihrer nordwestenglischen Heimat Lancashire: "Ich will über die kommenden Jahre zeigen, dass ich die beste bin für diesen Job. Manche halten mich schon jetzt dafür."

Solche Leute gibt es tatsächlich. Labours Ex-Europaminister Denis MacShane etwa freut sich über die Beförderung der "ruhigen, kompetenten Kompromisssucherin" . Der steile Aufstieg war Ashton wahrlich nicht an der Wiege gesungen. Sie wuchs im Marktstädtchen Upholland auf, studierte in den 1970er-Jahren Soziologie in London und wandte sich einem Lieblingsthema der damaligen Linken zu: der einseitigen atomaren Abrüstung. Mit ihrem Engagement für die damals mächtige Lobby-Organisation CND zog sie die Aufmerksamkeit des Inlandsgeheimdienstes MI5 auf sich.

Während der langen Oppositionsjahre machte Ashton die gleiche Wandlung durch wie die späteren New-Labour-Chefs Tony Blair und Gordon Brown: hin zu einer gemäßigten Form der Sozialdemokratie, der Chancengleichheit für Benachteiligte mehr verpflichtet als der Vergesellschaftung von Produktionsmitteln. Bald zählte sie zum kleinen inneren Kreis der Labour-Reformer, nicht zuletzt durch ihre Heirat 1988 mit dem deutlich älteren Journalisten und Meinungsforscher Peter Kellner, der drei Kinder in die Ehe mitbrachte und dessen Familie im Übrigen aus Österreich stammt. Zwei gemeinsame Kinder kamen hinzu.

Als Blair 1997 seinen erdrutschartigen Wahlsieg errang, hatte sich Ashton gar nicht erst um ein Parlamentsmandat im Unterhaus beworben, sondern blieb, was sie war - "keine Politikerin, sondern eine effiziente Organisatorin im Hintergrund" , wie ein Labour-Mann sagt. Blair schickte die talentierte Technokratin der Macht ins Oberhaus, machte die frischgekürte Baronin Upholland zur Staatssekretärin. Brown sandte sie 2008 als Ersatz für den daheim benötigten Peter Mandelson nach Brüssel. Jetzt ist sie wieder Ersatz auf dem neuen Posten - "eine wenig profilierte Frau um der Frau willen" , schimpft eine überzeugte Feministin und Außenexpertin bei Labour. Freilich sind sich auch alle in London einig: Baronin Ashton sollte man nicht unterschätzen. (Sebastian Borger/DER STANDARD, Printausgabe, 21.11.2009)