Bild nicht mehr verfügbar.

Das Ameisenlaufen in den Gliedmaßen ergibt sich aus der Rückkehr der elektrischen Aktivität im Nerv.

Foto: APA/Ch. Mairhuber/Ökoteam

Ein Schlafritual das angeblich vornehmlich Männer pflegen. Sie schlafen mit einem Arm unter dem Kopfpolster liegend und sehen sich morgens regelmäßig mit einer „eingeschlafenen" Extremität konfrontiert. Zwar lässt sich diese durch Schütteln oder Reiben in der Regel problemlos wieder aufwecken, unangenehm ist dieses „Erwachen" aber allemal. Von den Betroffenen wird es als Kribbeln oder Ameisenlaufen beschrieben, oft begleitet von einem Schwellungsgefühl. 

„Das Einschlafen von Gliedmassen ist immer eine Nervenfunktionsstörung. Die unangenehme Missempfindung ein Zurückkehren der elektrischen Aktivität im Nerv.", weiß Gobert v. Skrbensky, Facharzt für Sportorthopädie an der Universitätsklinik für Orthopädie am Wiener AKH, und differenziert das nervale Problem deutlich von rein durchblutungsbedingten Dysästhesien, die infolge komprimierter Gefäße zustande kommen. Ist das Einschlaf-Phänomen lagerungsbedingt und tritt außerdem nur gelegentlich auf, dann besitzt es in der Regel keinen pathologischen Hintergrund. „Wiederholt sich der Zustand in regelmäßigen Abständen, dann kann ein Kompressionssyndrom dahinter stecken", weiß Skrbensky. Der jeweilige Nerv hat dann anatomisch betrachtet ganz einfach zu wenig Platz und ist, durch eine enge Knochen- oder Muskellücke ziehend, permanentem Druck ausgesetzt. Die Konsequenz daraus: Die Reizleitung und Eigenversorgung des Nervs ist gestört.

Erstsymptom beim Karpaltunnelsyndrom

Bekanntestes Beispiel für ein Kompressions- oder Engpasssyndrom ist das Karpaltunnelsyndrom. Die betroffene Region ist der Karpaltunnel, ein halboffener schmaler Kanal im Handwurzelbereich, dessen Dach von dem Handwurzelband (Retinaculum flexorum) gebildet wird und der den Übergang zwischen Unterarm und Hand bildet. Durch diese Rinne zieht eingebettet zwischen neun Beugesehnen der Nervus medianus. Dieser Nerv ist einer von drei Nerven, die für die Beweglichkeit und die Sensibilität der Hand sorgen. Kommt es durch eine chronische mechanische Überlastung zur Anschwellung des Handwurzelbandes, dann wird es auf Dauer für den Nervus medianus ganz einfach zu eng. Typisches Erstsymptom dieser Nervenschädigung: Der Erkrankte erwacht morgens mit eingeschlafenen Hand. Langfristig gesehen, büsst der Nerv seine Funktionsfähigkeit ein.

Als diagnostisches Hilfsmittel peripherer Kompressionssyndrome dient die Messung der Nervenleitgeschwindigkeiten mit Hilfe elektrischer Ableitungen. „Im Fall eines Karpaltunnelsyndroms steht uns außerdem eine spezieller Magnetresonanztomographtechnik, das Fibre Tracking, zur Verfügung, mit deren Hilfe längsverlaufende Strukturen und somit auch Nerven besonders gut dargestellt werden", erklärt der Wiener Orthopäde Skrbensky ein Magnetverfahren, dass der Vorbereitung auf die anschließende offene oder endoskopische Operation dient.

Bandscheibe oder Rückenmark

Abseits des Karpaltunnelsyndroms gibt es auch im Bereich der Beine eine ganze Reihe möglicher Kompressionssyndrome. Die Bakerzyste beispielsweise verursacht in der Kniekehle schmerzhafte Beschwerden. Diese zystische Aussackung der Kniegelenkskapsel tritt meist als Folge chronischer Meniskus- beziehungsweise Knorpelschäden auf und kann eine Kompression des Nervus peronaeus bedingen. 

„Summa sumarum muss jede länger anhaltende Gefühlsstörung abgeklärt werden, da neben den peripheren auch zentrale Ursachen, wie Bandscheibenbeschwerden und Rückenmarksschädigungen möglich sind", ergänzt Skrbensky und hat differentialdiagnostisch noch die sockenförmigen Missempfindungen einer Polyneuropathie oder Nervenschädigungen infolge schlecht eingestellter Zuckerkrankheit oder chronischen Alkoholkonsums anzubieten. (Regina Philipp, derStandard.at, 19.11.2009)