Diese Autobahn bitte großräumig umfahren! Roland Emmerich lässt in "2012" keinen Stein auf dem anderen

Foto: Sony

Unpolitischer und fröhlicher als je zuvor steuert die Menschheit auf ihr Ende zu.

Wien – "Ich dachte, wir hätten mehr Zeit!" Wenn in Roland Emmerichs neuem Katastrophenfilm 2012 dieser Satz fällt, ist es natürlich für alles längst zu spät. Dann geht die Welt den Bach runter – und weil man es mit einem 200 Millionen Dollar schweren Blockbuster zu tun hat, fällt der Untergang entsprechend anschaulich aus. Aus Erdrissen werden tiefe Gräben, unter dem Asphalt beginnt es gewaltig zu rumoren, und L. A., das nach alter Hollywoodregel immer als Erstes dran glauben muss, versinkt wie ein Inselchen im Meer.

Zeit ist nahe dem Untergang das allerwertvollste Gut, unter anderem deshalb, weil man sie für Katastrophenprävention benötigt. Vielleicht liegt in diesem Mangel einer von nicht allzu vielen Verweisen dieses Films auf reale Szenarien: Für die Erschütterung durch Urgewalten ist man eben selten gut vorbereitet. Und so hat die Menschheit diesmal eigentlich von Anfang keine Chance, und sie ist daran noch nicht einmal selbst schuld: Eine veränderte Sonnenaktivität erhitzt den Erdkern wie durch Mikrowellen, was zu tektonischen Verschiebungen veranlasst. Erdkruste macht mobil!

Es kommt doch ein wenig überraschend, dass Emmerich 2012 diesmal für keinerlei grüne Botschaften wie noch The Day After Tomorrow nützt. Weitgehend unpolitisch konzentriert sich der Film vielmehr auf die kindliche Freude des Kaputtmachens. Das liefert dank allerneuester CGI-Technik Schauwerte am laufenden Band: Erdbeben, feuerspeiende Vulkane, gigantische Flutwellen, die sogar das Himalaya-Gebirge überschwappen. Größer ist hier eindeutig besser, weil dies dem Besucher erst eine erhabene Vorstellung von der Ungeheuerlichkeit einer globalen Zerstörung liefert.

Wobei Emmerich von Beginn an eine Form von komischer Relativierung als Sicherheitsgurte mitbedenkt. Sie zeigt sich schon darin, dass zentrale Figuren wie der als Schriftsteller und Familienvater gleichermaßen erfolglose Jackson Curtis (John Cusack) in mehreren brenzligen Countdown-Situationen gerade noch rechtzeitig kommt, um Frau (Amanda Peet), Kind und Nachfolger vor dem sicheren Tod zu retten. Seine Fahrt durch ein hinter, neben, über und vor ihm einstürzendes L. A. gehört in seiner comichaften Übertreibung zu den frühen Höhepunkten des Films: Nach mir die Sintflut!

Verkrampft witzig wirken dagegen Emmerichs Anflüge von Selbstironie, etwa Woody Harrelson als kiffender Radio-Guru, der dank seiner Maya-Kenntnisse lange vor allen anderen die konspirative Stillhaltestrategie der Regierungen durchschaut. Er ist nur eine maßlose Parodie eines New-Age-Klischees, genauso wie ein russischer Oligarch mitsamt übergewichtigen Zwillingen und billiger Freundin, die derart stereotyp überzeichnet sind, dass man sich eigentlich nur wundern kann.

Aber der Katastrophenfilm war schließlich noch nie eine Fundgrube subtiler Charakterporträts, und irgendwie muss man die Zeit zwischen Lavastrom und Tsunami ja füllen. Also gibt es neben den Vertretern des gemeinen Volks, die es an Bord einer der geheimen Archen zu schaffen versuchen, noch eine offizielle Führungsebene im Film. Sie wird von dem in seiner Humanität an Obama angelehnten Geophysiker Adrian Helmsley (Chiwetel Ejiofor) angeführt, der gegen unnachgiebige Technokraten wie Carl Anheuser (Oliver Platt) zu kämpfen hat: Was zeichnet den Menschen am Ende aus?

Eben nur etwas, was sein Überleben rechtfertigen kann. Und so erweist sich 2012 nach zweieinhalb Stunden Krach und Zerstörung letzten Endes doch als ein Film mit New-Age-Botschaft: Ein globaler Neuanfang wird durch natürliche Auslese möglich. Wenn man derzeit übrigens nach 2012 googelt, stößt man auch auf Nullrunden für deutsche Rentner bis ins Jahr ... (Dominik Kamalzadeh/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.11.2009)