"Sogar ehrliche Menschen wie ich sind voller Bewunderung." Oder noch begeisterter: "Bravo, bravo und nochmals bravo, ich hoffe, du bist über alle Berge."

Der Adressat solcher Internetreaktionen heißt Tony Musulin, ist 39 Jahre alt und Geldtransporteur, seit 10 Jahren ohne Fehl und Tadel beim selben Unternehmen beschäftigt. Das war er zumindest bis Donnerstag. Da machte er sich mit 11,6 Millionen Euro in Lyon auf und davon. Seither ist er unauffindbar.

Musulin schaffte es, sämtliche Sicherheitsvorkehrungen auszuschalten. Er wusste, dass die bei solchen Summen obligatorische Polizeibegleitung auf jener Tour nicht zur Verfügung stand. Mit zwei bewährten Begleitern hatte er einen Streit vom Zaun gebrochen; deshalb war er Donnerstag mit zwei jungen Helfern unterwegs, die er nach der Geldaufnahme bei der Banque de France kurzerhand auf eine andere Tour schickte. Offenbar schaffte es der serbischstämmige, alleinstehende Franzose auch, dass er die Sicherheitsschlüssel zum Fahrzeug-Safe nicht abgeben musste.

Leerer Panzerwagen

Der Panzerwagen wurde noch am gleichen Tag außerhalb von Lyon gefunden. Leer. Von den vierzig schweren Geldpaketen mit den neuen Geldscheinen und von Musulin fehlt jede Spur. Kühlschrank und Bankkonto hatte er zuvor geleert. "Saubere Arbeit", musste ein Polizist einräumen.

Internetkommentatoren ziehen den "Hut vor dem Künstler". Der Tenor: Auf ehrliche Weise komme man in Frankreich ohnehin zu nichts. Auf Facebook beteiligen sich tausende an einem Dutzend Adressen. Viele Franzosen fühlen sich offenbar an die französische Romanfigur des eleganten Meisterdiebs Arsène Lupin erinnert. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD-Printausgabe, 9.11.2009)