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Was oben hinein kommt, muss unten wieder nach draußen - aber was passiert dazwischen mit den Nährstoffen und welche Stoffe brauchen Säuglinge und Kleinkinder überhaupt?

Foto: REUTERS/Sheng Li

Ein kleiner Mensch liegt im Bettchen und schreit, weil er Hunger hat. Aber braucht dieser kleine hungrige Mensch wirklich etwas anderes zu essen als seine Mutter? Und warum eigentlich genau? Grundsätzlich gilt zu unterscheiden: Säuglinge sind Babys bis zum ersten Lebensjahr, als Kleinkind wird der Nachwuchs dann bis zum dritten, vierten Lebensjahr bezeichnet - beiden gemeinsam ist: sie haben sehr wohl ganz spezielle Ernährungbedürfnisse - aus gutem Grund.

Hochwertiges Fett für das Gehirn

Ganz anders sieht vor allem der Fettkonsum aus: Erwachsene sollten laut Ernährungsempfehlungen nicht mehr als 30 Prozent Fett an Gesamtenergie zu sich nehmen. "Beim Säugling unterscheidet sich die Rechnung komplett, über die Muttermilch bekommt er 50 Prozent aller Gesamtkalorien in Form von Fett - und zwar in Form von hochwertigstem Fett", erklärt Karl Zwiauer, Vorsitzender der Ernährungskommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Der Säugling hat auch einen viel höheren Eiweißbedarf, der auch über die Muttermilch gedeckt wird. "Eiweiß ist ganz entscheidend für das Gewichts- und Längenwachstum eines Kindes", so der Mediziner.

Hochwertiges Fett wird in das Zentralnervensystem und das Gehirn eingebaut. "Das menschliche Gehirn besteht nun einmal überwiegend aus Fett", so Zwiauer. Es gebe Studien, die sehr schön zeigen, dass es insbesondere im Säuglingsalter langkettigen Fettsäuren sind, die für die Gehirnentwicklung wichtig sind.

Kohlenhydrate und Vitamine für das Immunsystem

In der Muttermilch sind auch ganz spezielle Kohlenhydrate, die gut für die Stuhlflora sind. "Bifidus und Laktobazillen fördern den typischen, nicht unangenehm riechenden, Stuhl von Säuglingen", erklärt Zwiauer. Gestillte Säuglinge hätten daher weniger Infekte und weniger Allergien. Mit Ausnahme von zwei Vitaminen sei die Muttermilch außerdem für den Vitaminbedarf vollkommen ausreichend. Nur Vitamin K, das fettlöslich und gut für die Bluterinnung ist, und Vitamin D müssten noch zugeführt werden.

Klare Regeln für die Hersteller

Ein Baby bekommt durch die Muttermilch also im Prinzip alles, was es braucht. Industriell gefertigte Säuglingsnahrung unterliegt daher strengen EU-Richtlinien. "Diese Reglementierungen sind darauf ausgerichtet die wichtigste Nahrung für die Säuglinge, nämlich die Muttermilch zu schützen", erklärt Zwiauer. Daher gibt es auch Beschränkungen für teilweise recht aggressive Werbeaussagen.

Wachstum und Immunsystem fördern

Auch bei Kleinkindern unterscheidet sich die ideale Kost noch ganz beträchtlich von der Erwachsenenkost: "Vitamine, Jod, Eisen Vitamin D - diese Nährstoffe sind wichtig für normales Gedeihen und die Entwicklung der Abwehrfunktion des Immunsystems", so der Mediziner. Auch hochwertige Fette und Eiweiße werden noch immer vermehrt benötigt, der Bedarf passt sich erst langsam an den der Erwachsenen an.

Die wichtigste Eiweiß- und Fettquelle sei Milch und hochwertiges Eiweiß in Form von Fleischnahrung. Kleinkinder sollten aber trotzdem definitiv nicht mehr Fleisch essen als Erwachsene, denn die Ernährungsberichte der letzten Jahre zeigen auch, dass Erwachsene zu viel Eiweiß essen. "Zwei- bis dreimal pro Woche Fleisch reicht für Kleinkinder", so der Experte. Trinke ein Kleinkind im zweiten Lebensjahr aber ein Drittel Liter Milch pro Tag, dann hat es fast schon seinen ganzen Eiweißbedarf gedeckt.

Übergewicht durch 'minderwertiges' Eiweiß

Eine Gefahr, auf die Zwiauer hinweist, ergibt sich daher gleichzeitig aus zu viel eiweißhältiger (Erwachsenen-)Nahrung im Kleinkindalter: "Eiweiß ist nicht gleich Eiweiß, vor allem zu früher Vollmilchkonsum kann sich gravierend auf die Entwicklung des Körpergewichts der Kinder auswirken." Jene, die besonders rasch wachsen, seien auch gefährdet besonders früh dick zu werden. Laut neueren Studien waren Kinder mit einer hohen Eiweißzufuhr im Alter von zwölf Monaten später überdurchschnittlich oft übergewichtig. Zwiauer unterstreicht daher die ausgewogene, nicht die übermäßige Eiweißzufuhr.

Die ÖGKJ empfiehlt Säuglingen bis zum ersten Lebensjahr überhaupt keine Vollmilch zu geben. Das hat auch noch andere Gründe, erklärt Zwiauer: "Das Darmsystem des Säugling ist noch unreif und neigt als Konsequenz zu kleinsten, nicht sichtbaren Blutungen. Das führt zu Eisenverlust und macht die Säuglinge blass." Die Folgen manifesten Eisenmangels: "Höhere Infektanfälligkeit, eingeschränkte geistige und körperlich Entwicklung aufgrund von Sauerstoffmangel", zählt der Mediziner die schlimmsten Möglichkeiten auf. Wird ein Säugling nicht gestillt, empfiehlt der Kinderarzt auf Säuglingsmilchnahrungen und später Kindermilch auszuweichen. Mit den neuen technischen Möglichkeiten sei es gelungen, viel weniger Energie zuzuführen, das Kind aber trotzdem genau so gut gedeihen zu lassen. Kindermilch habe beispielsweise einen reduzierten Eiweiß- und Fettgehalt und einen erhöhten Gehalt an Eisen, Vitaminen und Jod.

Hintergründe zum Eiweißeffekt

Ganz wissen Forscher allerdings noch nicht, warum genau der erhöhte Eiweißkonsum späteres Übergewicht verursachen soll, denn Eiweiß hat eigentlich weniger Kalorien als Fett. Zwiauer findet folgenden Erklärungsansatz: "Wir wissen, dass Kinder, die mit einem hohen Eiweißgehalt versorgt sind, höhere Werte an gewissen Hormonen haben, beispielsweise ist das Wachstumshormon IGF-1 (Insulinähnlicher Wachstumsfaktor, Anm.) erhöht. Man wurde auch auf veränderte Leptinwerte aufmerksam, die wesentlich für die Regulierung der Körperfettmasse sind."

Optimierte Mischkost

Wie sieht überhaupt die optimale Mischung für eine ausgewogene Ernährung für Kleinkinder aus? Ernährungswissenschafter empfehlen generell die so genannte optimierte Mischkost. Zumindest in der Theorie klingt die Zusammensetzung der Mischkost nicht so kompliziert, drei einfache Grundregeln sind zu beachten: reichlich von Getränken und pflanzlichen Lebensmitteln, mäßig von tierischen Lebensmitteln und sparsam von fett- und zuckerreichen Lebensmitteln. Laut dem Österreichischen Ernährungsbericht ergibt sich die jeweilige Menge der Lebensmittel in Abhängigkeit vom Alters- und Energiebedarf: "In der Praxis bedeutet dies, dass Lebensmittel mit hohen Gehalten an Vitaminen und Mineralstoffen bezogen auf den Energiegehalt verwendet werden." Die Nahrung sollte 90 Prozent des durchschnittlichen Energiebedarfs, aber 100 Prozent des Nährstoffbedarfs decken. "Eine sehr gute Methode um Kinder gut zu ernähren, man braucht keine Supplemente", meint Zwiauer. (Marietta Türk, derStandard.at, 11.11.2009)