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Die sogenannte "rote Biotechnologie" mit Schwerpunkt auf Entwicklung neuer Medikamente und Therapien steht in Österreich im Vordergrund. Jährlich werden mehr als 80 Prozent des Biotech-Gesamtumsatzes erwirtschaftet.

Foto: REUTERS/Arnd Wiegmann

Zur Finanzierung sind die Unternehmen aber auf ausländische Investoren angewiesen. Auch ein Mangel an Nachwuchs zeichnet sich ab.

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24.000 Quadratmeter Fläche hat das Vienna Institute of Bio Technology (VIBT), das neue Biotechnologiezentrum der Boku. 24.000 Quadratmeter Platz für universitäre und private Forschung, Entwicklung und vor allem auch Ausbildung. An Ausbildungsmöglichkeiten im Biotech-Bereich mangelt es Österreich nicht - an interessierten Studenten dagegen schon.

"Uns fehlen derzeit Leute, die im Labor arbeiten und Projekte organisieren können", berichtet Franz Latzko, Geschäftsführer der Austrian Biotech Industry, des Fachverbands der österreichischen Biotech-Unternehmen. Den Grund dafür sieht Latzko in der mangelnden "Vermarktung" der naturwissenschaftlich-technischen Tätigkeit: "Das fängt natürlich in der Schule an. Je spannender der Chemie-, Physik- oder Biologieunterricht ist, desto eher kann man sich vorstellen, später einen Beruf in diesem Gebiet zu ergreifen. Und Dinge wie technische Chemie oder Verfahrenstechnik werden auch nicht täglich von aufregenden Role-Models im Fernsehen beworben wie zum Beispiel der Arztberuf."

Wachstumsprobleme

Grundsätzlich scheint Österreich jedoch ein guter Boden für Biotech-Unternehmen zu sein: Immerhin findet noch bis morgen, Donnerstag, in Wien - und damit erstmals in Österreich - die internationale Life-Science-Konferenz Bio Europe statt.

Neben dem Nachwuchs bereitet aber auch die Wachstumsfinanzierung der österreichischen Biotech-Branche, die sich vor allem mit der Entwicklung neuer Medikamente und Therapien beschäftigt, Sorgen. "Wir sind in Österreich in Sachen Unternehmensgründung wahrscheinlich Europameister, es mangelt aber an Bedingungen, unter denen Firmen, die hier gegründet werden, auch wachsen können", sagt Latzko.

"Die Förderbank AWS unterstützt mit höchstens zwei Millionen. Damit kann man eine Firma gründen, zehn Leute anstellen und zwei Jahre arbeiten. Für die Entwicklung eines Arzneimittels muss man aber mit Kosten von 500 bis 800 Millionen Euro rechnen."

Die Unternehmen müssen also das nötige Geld am Kapitalmarkt auftreiben - "und dort muss man Anreize schaffen, damit Investoren auch zu Biotech greifen". In Österreich ist die Anzahl etwaiger Kapitalgeber aber eher begrenzt. Früher oder später müssen die Unternehmen daher nach ausländischen Investoren Ausschau halten.

"Das hat den Vorteil, dass internationales Kapital nach Österreich gebracht wird", meint Walter Schmidt von der Affiris AG, die an der Entwicklung therapeutischer Impfstoffe gegen Alzheimer, Parkinson und Atherosklerose arbeitet. Franz Latzko befürchtet allerdings: "Wenn die Firma keine ausländischen Investoren findet, wird sie sich einen Standort suchen, an dem die Kapitalgeber eher investieren. Das bedeutet, wir in Österreich bilden Leute aus, unterstützen Firmen bei der Gründung - und dann wandern sie plötzlich ins Ausland ab." Dies habe vor allem einen beträchtlichen Verlust von Know-how zur Folge.

Durch die Krise forschen

Die Wirtschaftskrise zeigt im Bereich der Biotechnologie momentan vergleichsweise geringe Auswirkungen. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass die Unternehmen sozusagen nach vorn arbeiten: "Wir sind weniger abhängig von Verkäufen, es geht vor allem um Forschung und Entwicklung", meint Gerd Zettlmeissl, Geschäftsführer der Intercell AG, die kürzlich einen Impfstoff gegen die japanische Enzephalitis auf den Markt gebracht hat.

Trotzdem hatte die Krise Folgen für die Investitionsbereitschaft. "Die institutionellen Kapitalgeber haben besonders gelitten und sich auch noch nicht komplett erholt", berichtet Leonhardt Bauer von 55pharma, einer der kleineren Firmen im österreichischen Life-Science-Bereich, die an einem neuartigen Altersdiabetes-Medikament arbeitet.

"Vor etwa einem Jahr war es aber noch schwieriger, Geld zu bekommen - vor allem für neue Projekte. Die Kapitalgeber haben zwar in die sogenannten Portfolio-Firmen investiert, also in jene, die sie schon früher unterstützt haben, sie hatten aber kein Geld für Neu-Investments." Derzeit ist Bauer optimistisch: "Es scheint, dass sich seit dem Sommer wieder eine deutliche Verbesserung der Risikobereitschaft von Investoren abzeichnet."

Michaela Fritz vom Austria Wirtschaftsservice (AWS), die auch eine der Geschäftsführerinnen von Life Science Austria Vienna Region (Lisa VR) ist, zeigt sich weniger zuversichtlich: "Ich denke, dass es in den nächsten Jahren noch schwieriger wird, Kapital aufzustellen. Vor allem die jungen Unternehmen, die in den nächsten zwei Jahren Geld suchen, werden das sicher stark zu spüren bekommen." Aber: "Nicht zuletzt verfügen wir über eine international gesehen attraktive Steuer- und Förderlandschaft - gerade in der Start-up-Phase", räumt Fritz ein.

Mittlerweile können etwa 200 österreichische Unternehmen dem Bereich Biotechnologie zugeordnet werden. Während ein Großteil der Firmen weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigt, haben sich daneben durchaus bedeutend größere Unternehmen etabliert, darunter einige, die an internationalen Kooperationen beteiligt sind.

In der heimischen Biotechnologie wurden zuletzt 1,9 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet - laut Franz Latzko nicht viel weniger als in Deutschland. 80 Prozent davon kommt von der Entwicklung neuer Medikamente und Therapien. (Natalie Bachl/DER STANDARD, Printausgabe, 04.11.2009)