Laut Rechnungshof gab es beim jüngsten U-Bahn-Ausbau Mehrkosten und Fehlverrechnungen in Höhe von 8,95 Millionen Euro.

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Als "Grasser-Methode" bezeichnet die Verkehrssprecherin der Grünen Wien, Ingrid Puller, das Vorgehen der Wiener Linien. Nach Erscheinen des Berichtes wurde ein Gutachten bei der TU Wien erstellt, dass zu einem - nicht überraschenden - besseren Ergebnis kommt als der Rechnungshof. Mit der selben Methode hat auch Finanzminister Karl Heinz Grasser gearbeitet: er hat zu einem kritischen Rechnungshof-Bericht ein Gegengutachten erstellt. Puller: "Es geht nicht an, dass eine öffentliche Stelle, die der Rechnungshof-Kontrolle unterliegt, Prüfberichte mit anderen Gutachten, die ebenfalls mit Steuergeld bezahlt werden, auszuhebeln versucht. Diese Vorgangsweise muss sofort abgestellt werden"

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Sowohl die interne Kontrolle als auch die externe Kontrolle hat laut den Prüfern versagt.

Wien – Am Montag war die Welt noch in Ordnung: Da feierten die Wiener Linien 40 Jahre U-Bahn-Bau – und Geschäftsführer Günter Steinbauer verwies bei dieser Gelegenheit auf eine "eindrucksvolle Bilanz": Sechs Millionen Kubikmeter Erdreich seien bewegt, 300.000 Tonnen Stahl und 2,7 Millionen Kubikmeter Beton seien für das unterirdische Verkehrsnetz verarbeitet worden.

Seit gestern, Dienstag, ist amtlich, dass man zumindest die Abschnitte zwischen Schottenring/Stadion und Kagran/Leopoldau um einiges billiger hätte haben können.

Zu spät informiert

Laut Rechnungshof sind bei der Verlängerung von U1 und U2 in der Projektabwicklung nämlich eine ganze Reihe von Fehlern passiert. 8,95 Millionen Euro seien dabei an Mehrkosten entstanden. "Bei der Verlängerung der U-Bahn-Linien U1 und U2 versagte das interne Kontrollsystem der Wiener Linien", heißt es im Bericht.

Überhöhte Einheitspreise seien anerkannt und unzweckmäßige Abrechnungsvereinbarungen getroffen worden. "Zusatzaufträge und Überschreitungen der Vergabesummen erfolgten unter Umgehung der für die Genehmigung innerhalb der Wiener Linien festgelegten Zuständigkeiten und Informationspflichten. Geschäftsführung und Aufsichtsrat wurden zu spät informiert", heißt es im Bericht.

Die Wiener Linien knöpften Stadt und Bund 6,18 Millionen Euro für die Herstellung der Verkehrsinfrastruktur ab – um sie dann in den laufenden Betrieb und den Bau von Geschäftslokalen in den neuen Stationen zu stecken. "Stadt und Bund bezahlten, ohne die Geldmittelverwendung inhaltlich zu prüfen", halten die staatlichen Kontrollore fest.

Die rote Stadtregierung ist allerdings – genauso wie die Geschäftsführung der Wiener Linien – der Ansicht, dass Shops und WCs zur Verkehrsinfrastruktur gehören. "Man stelle sich vor", sagt der rote Verkehrssprecher Karlheinz Hora, "es gibt nur Gleise und Rolltreppen. Ostblock lässt grüßen." 40 Jahre lang hätte man die Ausstattung der U-Bahn-Stationen zur Verkehrsinfrastruktur gerechnet. Warum das plötzlich nicht mehr gehe, sei nicht einzusehen. "Das hängt offenbar damit zusammen, dass nun andere Menschen im Rechnungshof sitzen." An einer Gegen-Stellungsnahme zum Bericht werde jedenfalls bereits gearbeitet. Auch weil der Rechnungshof die "Rückabwicklung" der 6,18 Millionen empfiehlt. Dem Bund würde somit die Hälfte des Betrags – 3,09 Millionen – zurückgezahlt werden, während Stadt und Wiener Linien die Kosten neu aufteilen müssten. Mit einer ganzen Reihe von Beispielen werde man versuchen, Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) zu überzeugen, dass "Geschäfte sehr wohl zur Infrastruktur gehören", sagt Hora. Bei den Wiener Linien zweifelt man auch die 8,95 Millionen Mehrkosten an. "Diese Zahl ist sehr schwer nachzuvollziehen", sagt Sprecher Answer Lang. Man werde sich den Bericht in den nächsten Wochen noch genau ansehen.

Kritik kommt naturgemäß von der Opposition: "Der Bericht schließt nahtlos an Kontrollamtsberichte aus verschiedensten Geschäftsbereichen der Wiener Stadtverwaltung an", sagt der blaue Kontrollsprecher Dietbert Kowarik. Der schwarze Verkehrssprecher Wolfgang Gerstl fordert SP-Finanzstadträtin Renate Brauner auf, den gesamten Aufsichtsrat der Wiener Linien auszutauschen, Ingrid Puller von den Grünen will die Rückzahlung der 6,18 Millionen erreichen. (Martina Stemmer, DER STANDARD Printausgabe, 04.11.2009)