Toronto - Die meisten Menschen, die in den ärmsten Ländern an Tropenkrankheiten wie Trachom, Elephantiasis, Lepra, Dengue-Fieber oder Hakenwürmer-Befall leiden, haben keinen Zugang zu nötigen Medikamenten. Das geht nur teilweise darauf zurück, dass die Pharmakonzerne diesen wenig gewinnbringenden Krankheiten kaum Aufmerksamkeit schenken. Forscher vom McLaughlin Rotman Centre for Global Health zeigen im Journal Health Affairs, dass entsprechende Medikamente von kleinen Forschungslabors in Schwellen- und Entwicklungsländern bereits entwickelt wurden, dass aber bestimmte Hürden den Zugang zum Weltmarkt verhindern.

Vernachlässigte Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs) sind Krankheiten, die durch Würmer, Einzeller, Bakterien, Pilze oder Viren verursacht werden. Anders als Malaria, Tuberkulose und HIV/Aids treten sie nur in armen Ländern auf und es gibt keine Investoren, die Forschung und Entwicklung der Behandlung dieser Krankheiten finanzieren. Nur jedes hundertste in den vergangenen Jahrzehnten bewilligte Medikament zielte auf NTDs ab. "Eine Milliarde Menschen haben eine oder mehrere dieser Krankheiten, die die wahren Leiden der Armen darstellen. Sie sind allesamt chronisch und lassen die Patienten krank und arm bleiben", so Studienleiter Peter Singer.

Schenkungen keine langfristige Lösung

Bisher erfolgte die NTDs-Behandlung allein durch Medikamenten-Schenkungen von Pharmakonzernen die Regel. Durch diese Strategie sei kein Erfolg erzielbar, betont Studien-Mitautorin Sarah Frew. "Einzelne Lieferungen erlauben nicht die notwendige flächendeckende Versorgung. Die Medikamente sind oft zu teuer, um für die Gesundheitssysteme armer Länder leistbar zu sein. Außerdem handelt es sich dabei nicht um speziell für vernachlässigte Krankheiten entwickelte Mittel, sondern um solche, die zufällig auf bestimmte Symptome wirken."

Gezielte Medikamente gegen mehrere NTDs gibt es allerdings bereits. Entwickelt wurden sie in Labors in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die kanadischen Wissenschaftler untersuchten 78 regionale Pharmafirmen und ihre Produkte für bestimmte NTDs aus Brasilien, China, Indien und Südafrika. Dabei konnten sie 62 Medikamente identifizieren, die sich bereits am regionalen Markt oder noch in der Entwicklung befinden. "In den Entwicklungsländern gibt es eine reiche Quelle für die Behandlung von vernachlässigter Tropenkrankheiten. Sie gleicht jedoch einer Goldgrube, die bisher noch nicht genutzt wird", so Singer.

Indische Cholera-Impfung: Wirksamer und 60 mal billiger

Die wichtigsten Hemmfaktoren sei die fehlende Expertise der Firmen über internationale Regulationen, Marketing, Product-Placement sowie Preisgebung, Finanzierung oder in der Suche nach internationalen Vertriebspartnern. Als Beispiel nennt der Studienautor eine indische Firma, die im Juni 2009 eine Impfung gegen Cholera auf den Markt brachte. Kostete die einzige bisher verfügbare Impfung 60 Dollar, kommt die neue auf einen Dollar und ermöglicht dazu noch einen besseren Schutz. "Das Problem dabei ist, dass bisher noch kein Markt für diese Behandlung geschaffen wurde, da es in reichen Ländern keine Cholera mehr gibt und arme sich bisher die Behandlung nicht leisten konnten."

Plattform soll Abhilfe schaffen

Zur Behebung dieses Missstandes schlagen die Autoren die Einrichtung eines Non-Profit-Services vor, den sie als "Global Health Accelerator" bezeichnen. Er könne das bisher fehlende Bindeglied zwischen Biotechfirmen bilden und vernetzte Business-Pläne bis hin zur gemeinsamen Marktforschung ermöglichen. Profitieren würden davon besonders kleine Forschungslabors. "Nützlich wäre das aber auch für Investoren, die erst die Finanzierung garantieren. Viele Kapitalgeber wissen bisher nicht, an wen sie sich wenden können", erklärt Frew. Zusätzlich könnte ein Preis jährlich Labors in Südländern für die Entwicklung von Medikamenten, Impfungen oder anderer Heilbehelfe mit globaler Bedeutung anerkennen. (pte)