Immer häufiger sind in der Gipfelregion des Kilimandscharos bizarre Überbleibsel des früheren Gletschers zu sehen.

Foto: Lonnie Thompson

Nairobi/Washington - Jährlich versuchen rund 15.000 Menschen, den Gipfel des Kilimandscharo zu erreichen, des höchsten Berges Afrikas. Für 34 Jahre war der Kibo, wie der Hauptgipfel des Vulkans heißt, übrigens auch der höchste Punkt auf deutschem Territorium - als der Berg rund um 1900 nämlich zur Kolonie Deutsch-Westafrika gehörte und schlicht Wilhelmskuppe hieß.

Ein deutscher Reisender war es auch, der Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals in Europa davon berichtete, dass es in Afrika in unmittelbarer Nähe zum Äquator einen Berg mit einem Gletscher gibt. Mit der weißen Krone wird aber womöglich demnächst Schluss sein: Nach neuen Schätzungen von Klimatologen könnte der Kilimandscharo schon in 20 Jahren durch den Klimawandel seine charakteristische, fast 12.000 Jahre alte Gletscherkrone verlieren.

Davor warnen jedenfalls Forscher um Lonnie Thompson von der Ohio State University, die seit vielen Jahren den Rückgang des Gletschers auf dem Berg in Tansania verfolgen. Die Wissenschafter untersuchten Größe und Dichte des Gletschers sowohl mit direkten Messungen als auch mithilfe von Luftaufnahmen. Ihren Schätzungen zufolge ist die Eismasse zwischen 1912 und 2007 um etwa 85 Prozent geschrumpft. In der jüngeren Zeit sei der Schwund dabei besonders stark gewesen, nämlich um mehr als ein Viertel (26 Prozent), so die Forscher im Fachblatt PNAS (online vorab).
Die Klimatologen prophezeien entsprechend eine dramatische Beschleunigung des Gletscherrückgangs. Sollte sich an den Klimabedingungen nichts ändern, könnte der Gletscher schon zwischen 2022 bis 2033 verschwunden sein. Als Gründe nennen die Forscher um Thompson den Klimawandel, konkret: gestiegene Temperaturen und gesunkene Niederschläge.

Damit stehen ihre Erkenntnisse allerdings in Widerspruch zu Erkenntnissen Innsbrucker Klimaforscher um Thomas Moelg und Georg Kaser, die ebenfalls seit Jahren den Kilimandscharo-Gletscher erforschen. Bei ihren Messungen hatte sich gezeigt, dass die Temperatur in der Gipfelregion in den vergangenen Jahrzehnten unverändert blieb, sondern nur die Niederschläge stark zurückgingen (vgl. "Journal of Climate", Bd. 22, 4162).
Ein Symbol für den weltweiten Klimawandel bleibt der Kilimandscharo aber so oder so. Und wer den Gipfel noch vergletschert erleben will, sollte wohl demnächst an eine Besteigung denken. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 3. 11. 2009)