Die Mediziner implantierten Elektroden in den so genannten Nucleus accumbens ihrer Patienten

Foto: Uniklinik Bonn

Bonn - Eine neue Methode gibt Patienten mit extrem schweren Depressionen Anlass zur Hoffnung. Forscher der Universitätskliniken Bonn und Köln haben zehn Patienten mit der tiefen Hirnstimulation behandelt. Dabei wurde ein elektrischer Hirnschrittmacher appliziert, der gezielt die Funktion bestimmter Hirngebiete beeinflusst. Bei der Hälfte der Patienten hat sich der Gesundheitszustand nach der Behandlung deutlich verbessert. Andere Therapien waren zuvor gescheitert, berichten die Forscher im Fachmagazin Biological Psychiatry.

Stimulierung des Belohnungssystems

In der Studie haben die Forscher Elektroden in den sogenannten Nucleus accumbens implantiert. Dieses Hirnareal ist ein wichtiger Teil des so genannten "Belohnungssystems". Zudem versetzt es den Menschen in einen Zustand der Vorfreude. Wenn dieses Belohnungssystem nicht funktioniert, würde ein Mensch keine Zukunftspläne schmieden, da er die Früchte dieser Pläne nicht genießen könnte. Inaktivität und Genussunfähigkeit sind zwei wichtige Kennzeichen einer Depression. Die Stoffwechseländerungen waren jedoch nicht nur im Nucleus accumbens selbst bemerkbar, sondern auch in anderen Regionen im limbischen System, wo das Gehirn Emotionen verarbeitet.

Positive Behandlungs-Effekte

"Positiv reagierten alle Patienten auf die Behandlung. Bei der Hälfte von ihnen verbesserte sich die depressive Symptomatik deutlich", berichtet Thomas E. Schläpfer von der Bonner Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Die ersten Wirkungen hätten sich oft schon nach wenigen Tagen gezeigt. "So beobachteten wir unter anderem eine zunehmende Aktivität der Patienten." Einige der Patienten konnten nach vielen Jahren der Arbeitsunfähigkeit sogar wieder arbeiten gehen.

Keine Gewöhnungseffekte

In der Studie konnten die Mediziner keine Gewöhnungseffekte bei den Patienten feststellen. Selbst nach einem Jahr hat die Stimulation des Nucleus accumbens noch so gut gewirkt wie zu Studienbeginn. Auch die Hirnfunktion der Teilnehmer wurde durch die Behandlung nicht beeinträchtigt. Bemerkbar war die Verbesserung einiger neuropsychologischer Funktionen. Geringe Nebenwirkungen, etwa als Folge der Operation oder nach Änderung der elektrischen Parameter für die Stimulierung waren nur für kurze Zeit vorhanden.

Warnung vor übertriebenen Hoffnungen

Angesichts der geringen Fallzahl warnen die Forscher allerdings vor übertriebenen Hoffnungen. Zudem müsse man bei Eingriffen ins Gehirn in besonderer Weise ethische Faktoren abwägen - nicht zuletzt, weil eine solche Operation immer riskant sei. "Unsere Studie zeigt aber auf jeden Fall, dass die tiefe Hirnstimulation manchen Menschen mit extrem schweren Depressionen helfen kann", betont Schläpfer. Das gelte selbst in Fällen, die bislang als absolut therapieresistent galten. (pte)