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Jürgen Melzer wohl am Höhepunkt seiner Karriere.

Foto: Reuters/Bader

Wien - "Es ist etwas ganz Spezielles", sagte Jürgen Melzer, und er rang um Fassung. Da hatte er den Pokal beiseite gestellt, der Siegerscheck über 86.500 Euro war in diesem Moment vermutlich wirklich nur ein Fetzen Papier. Als zweiter Österreicher hatte Melzer die BA-Trophy in der Wiener Stadthalle gewonnen, sein Vorgänger war der verstorbene Horst Skoff im Jahr 1988. "Gott hab ihn selig, ich bin stolz, sein Nachfolger sein zu dürfen", sagte Melzer am Allerheiligentag 2009.

Es war ein herausragendes Tennisspiel des 28-jährigen Niederösterreichers. Der Kroate Marin Cilic, als Nummer eins gesetzt und 13. der Weltrangliste, war im Finale ziemlich chancenlos, Melzer gewann es 6:4, 6:3. Nach 1:32 Stunden landete eine Vorhand im Out, es war der dritte Matchball und das zweite Break im finalen Satz. Melzer verharrte sekundenlang, dann reckte er die Arme empor, lief zu seiner Box, busselte ihm nahestehende Menschen ab, zum Beispiel Freundin Mirna Jukic. In keiner Phase des Endspiels hatte er die Übersicht verloren oder sich gar hängen lassen. Selbst die harten Aufschläge des 1,98 Meter langen Cilic irritierten ihn kaum. "Obwohl ich davor Angst hatte. Aber ich bin die ganze Zeit mit breiter Brust aufgetreten, ich wollte den Titel unbedingt."

Es war sein zweiter Streich auf der ATP-Tour, 2006 siegte er auf Sand in Bukarest. "Emotional war das mit Wien nicht vergleichbar. Ich werde Wochen brauchen, um das alles zu realisieren." Zur Erinnerung: Vor Cilic hatte er Marco Chiudinelli, Dominik Hrbaty, Radek Stepanek und Janko Tipsarevic geschlagen. Von Runde zu Runde hatte er an Leistung zugelegt, das Finale war der würdige Höhepunkt und natürlich Abschluss.

Melzer ist nun angekommen, er ist quasi einen Rucksack losgeworden. Ihm wurde vorgeworfen zu nerverln, entscheidende Partien eher zu verlieren. Der Daviscup hat diesen Eindruck immer wieder gefestigt. Und auch zwei Finali in Österreich hatte er schon ausgeschüttet, in St. Pölten und Kitzbühel. Wien war die Wende.

Das Turnier ist dank Melzer mit zwei blauen Augen davongekommen. Obwohl einige Sponsoren ausgefallen sind (Wirtschaftskrise!) und der argentinische Superstar Juan Martin Del Potro abgesagt hat. Ungefähr 47.000 Zuschauer wurden gezählt, auffällig war der Rückgang bei den Logenkarten. Die Laufkundschaft hat das mit einem Zuwachs von rund 20 Prozent wettgemacht. Turnierdirektor Herwig Straka möchte nun "die Sponsoren wieder ins Boot zurückholen", nett wäre die Anschaffung des publikumswirksamen Hawk-Eye-Systems (zeigt auf Video, ob ein Ball out oder in war). Es kostet allerdings 50.000 Euro. Straka: "Vielleicht wäre diese Investition besser als die Verpflichtung eines Stars, der eh nicht kommt." Melzer kommt 2010 natürlich wieder. (red, DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 2. November 2009)