Polizeipräsident Gerhard Pürstl ist dankbar für die neuen Ordnungstrupps der Stadt: "Das heißt, dass weniger die Polizei gerufen wird." Bis zum Jahr 2013 soll er 450 zusätzliche Polizisten erhalten.

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Standard: Ordnungskräfte im Gemeindebau, Waste-Watcher, Night-Watcher, ein Trupp in der U-Bahn - ist die Polizei so unfähig, dass der Bürgermeister mit Rathaus-Beamten für Ordnung sorgen muss?

Pürstl: Die Polizei kann vor allem im niederschwelligen Bereich nicht alles allein machen, da brauchen wir die Hilfe des Magistrats. Die Stadt Wien macht viel, um gegenseitiges Verständnis zu fördern und das Prinzip Ordnung durchzusetzen. Dafür sind wir dankbar. Das heißt, dass weniger die Polizei gerufen wird und dass es weniger Eskalationen gibt.

Standard: Häupls Initiative ist eine Reaktion auf die gestiegene Kriminalität. Also nochmals: Ist das nicht peinlich für die Wiener Polizei?

Pürstl: Die aufgezählten Angelegenheiten gehören ja nicht unbedingt zu unseren Kernaufgaben, sondern es geht dabei um das, was man unter "Ordnung" und "Miteinander" versteht. Hier ist die gesamte Gesellschaft gefordert.

Standard: Aber das sollen ja die Ordnungskräfte machen, das geht die Polizei laut Ihren Worten gar nichts an.

Pürstl: Das ist auch nur ein positiver Nebeneffekt, der den Leuten ein Gefühl der Sicherheit gibt. In erster Linie geht es um die Bekämpfung der Drogenkriminalität.

Standard: In deutschen S- und U-Bahnen gehen Jugendliche häufig auf Erwachsene los - scheinbar grundlose Gewaltexzesse. Sind Wiens Jugendliche auch aggressiv?

Pürstl: Gewalt im Zusammenhang mit Jugendlichen ist auch bei uns ein Thema. Ich fürchte zwar nicht, dass Jugendgewalt jetzt ausufert, aber man muss die Zeichen erkennen. Wir haben eine eigene Gruppe gegründet, um Gefahrenpotenziale zu analysieren. Es gibt Delikte, die betreffen nur Jugendliche - Handyraub zum Beispiel. Vielen ist ja nicht bewusst, was das bedeutet, wenn sie jemandem ein Handy wegnehmen und damit Straftäter werden. Da müssen wir auch ein bisschen Erziehungsarbeit leisten.

Standard: Gibt es zu wenige Polizisten in Wien?

Pürstl: Ich wäre ein schlechter Polizeipräsident, wenn ich mir nicht mehr Beamte wünschte. Mittlerweile meinen auch alle politische Fraktionen, dass es nicht genügend Polizisten in Wien gibt, daher hat man ja jetzt auch mit der Gegensteuerung begonnen. Wir haben bis 2013 jährlich 450 Ausbildungsplätze zugesprochen bekommen, die nur Wien zugutekommen. Das ist eine echte langfristige Strategie. Damit bin ich mehr als zufrieden.

Standard: Wie oft müssen Ihre Leute den Einsatzwagen stehen lassen, weil der Leasingvertrag weitere Kilometer verbietet?

Pürstl: Das passiert gar nicht - wir haben deutlich mehr Dienstwagen als noch vor einigen Jahren, und die Kilometerkosten sind durch das Leasing heute deutlich günstiger.

Standard: Sie bestreiten Ausstattungsmängel in der Wiener Polizei?

Pürstl: Ausstattungsmängel wird es immer geben - das gibt es in jeder Organisation. Aber wir sind momentan im technischen Bereich auf einem Level, auf dem wir noch nie waren. Beklagen können wir uns nicht.

Standard: Was hat die Soko Ost gebracht?

Pürstl: Das Bewusstsein, dass die Zusammenarbeit über Bundesländergrenzen hinaus immer wichtiger wird. Dass ein Niederösterreicher nach Wien kommt, war vor zehn Jahren noch nicht üblich - jetzt ist das fast selbstverständlich.

Standard: War die Strasser'sche Polizeireform, die in Wien viele gewachsene Strukturen zerschlagen hat, ein Fehler?

Pürstl: Die Reform hatte viele Facetten. Einiges war positiv, anderes nicht. Die Zusammenlegung von Kriminaldienst, Sicherheitswache und Gendarmerie zu einem Wachkörper war gut. Man hat aus drei parallelen Führungsebenen eine gemacht. Nicht so gut funktionierte die Übertragung sämtlicher Aufgaben auf die Inspektionen, wie das auf dem Land üblich ist. In Wien brauchen wir andere Dienstpläne - wir müssen zum Beispiel ad hoc 300 Leute für Demos bereitstellen. Allein vom Aktenanfall her sind die Wiener Inspektionen um ein Vielfaches belastet. Das haben wir erkannt und verbessern das System laufend.

Standard: Die sogenannte Ausländerfrage wird wohl den Wiener Wahlkampf prägen. Geht von der Gruppe der Migranten Gefahr aus?

Pürstl: Wenn Sie sich die Statistik ansehen, dann sehen Sie, dass die Zahl der Anzeigen bei Ausländern tatsächlich höher ist - und im Übrigen auch die Zahl der tatsächlichen Verurteilungen. Der Ausländeranteil schwankt hier so zwischen 26 und 33 Prozent. Dieser Prozentsatz ist sicherlich zum Großteil auf den sogenannten Kriminaltourismus zurückzuführen. Es gibt aber vielschichtige Probleme, die zu Kriminalität führen - und wo Ausländer leider oft gefährdet sind. Das liegt zum einen daran, dass sie oft die deutsche Sprache nur schlecht beherrschen. Wenn es einen Konflikt gibt, kann der oft nicht ausdiskutiert werden. Sie sind auch in einem höheren Ausmaß armutsgefährdet. Zudem hat uns die Ostöffnung überrollt.

Standard: Der Mauerfall ist zwanzig Jahre her.

Pürstl: Das stimmt, aber man muss bedenken, dass sich gerade in den letzten Jahren die Schengen-Außengrenzen weit Richtung Osten verschoben haben und somit die Grenzkontrollen weggefallen sind. Sicherheit beginnt aber lange vor der Kriminalität, nämlich beim Zusammenhalt der Menschen in einer Gesellschaft. Für die Ordnung in unserer Stadt meine ich, dass sie nur über Integration stattfinden kann. Da wird in Wien viel getan.

Standard: Eine Studie im Auftrag des Innenministeriums besagt, dass sich vor allem Türken zu wenig integrieren. Sehen Sie das auch so?

Pürstl: Ich bin grundsätzlich gegen Pauschalierungen. Man tut dabei vielen Menschen unrecht. Integration lässt sich nicht polizeilich erzwingen, sondern alle Beteiligten müssen ihren Beitrag leisten.

Standard: Wie groß ist die Bedrohung durch islamistischen Terror?

Pürstl: Man muss sich nicht fürchten. Eine Soko Islamismus wird es nicht geben. Aber wir beobachten die Szene genau und wissen viel über sie. Wir sind gut aufgestellt.

Standard: Sie sind Kolumnist einer Gratis-Boulevardzeitung - warum?

Pürstl: Polizeiarbeit lebt auch von Öffentlichkeit. Wir sind ein Bestandteil der Gesellschaft. Wenn wir als solcher akzeptiert werden wollen, müssen wir etwas Öffentlichkeitswirksames tun. Wenn mir eine Zeitung diese Möglichkeit gibt - warum soll ich sie nicht nützen? (Petra Stuiber, DER STANDARD Printausgabe, 31.10./01.11.2009)