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Gunnar Prokop: "Wer sich selbst bewegt, interessiert sich später oft auch für Spitzensport."

Foto: APA/Fohringer

Standard: Sie laufen gegen Metz bei 27:27 auf das Feld, rempeln eine französische Spielerin um und sagen nachher, Ihr Verhalten sei okay gewesen. Geht's Ihnen noch gut?

Prokop: Jetzt hab ich drüber geschlafen. Es war eine Kurzschlussaktion. Aber vom taktischen Gesichtspunkt her richtig, wir hätten schließlich sonst verloren. Die Sperre nehm ich in Kauf. Ob's mir leidtut? Der Spielerin ist ja nichts passiert. Wär ihr etwas passiert, würd's mir sehr leidtun.

Standard: Sind Sie, ist Handball in Österreich auf solche Aktionen angewiesen, um beachtet zu werden?

Prokop: Noch einmal, ich hab die Entscheidung in einem Bruchteil einer Sekunde getroffen. Da denkt man nicht nach. Stimmt schon, unser Handball hat international kaum einen Stellenwert - mit Ausnahme von Hypo. Bregenz etabliert sich im Europacup nicht wirklich. Beim Frauen-Team geht's bergab. Die Männer haben mit der Heim-EM eine große Chance. Die Frage ist, ob der Handballbund diesmal etwas daraus macht.

Standard: Wieso "diesmal" ?

Prokop: Es gab 1992 eine Männer-B-WM und 1995 eine Frauen-WM in Österreich, da wie dort herrschte große Euphorie, da wie dort hat man genau gar keinen Nutzen daraus gezogen. Es ist nichts passiert.

Standard: Was hätte passieren sollen oder können?

Prokop: Wir wollten mit dem Frauen-Team auf Österreich-Tournee gehen. Hätten am Vormittag zwei, drei Schulen besucht, am Abend Exhibitions gespielt. Aber vom ÖHB ist keine Unterstützung gekommen. Man muss Ideen haben. Warum sollen die Ideen immer von mir kommen? Zugegeben, anderen Sportarten geht's ähnlich. In der Leichtathletik waren wir sehr erfolgreich, die Leichtathletik ist jetzt auch am Boden.

Standard: Ist Handball in Österreich eine Randsportart?

Prokop: Wenn ich Hypo wegnehme, sicher. Hypo war achtmal Champions-League-Sieger, war noch vorvorige Saison im Finale.

Standard: Hypo ist doch ein lokales Phänomen, das österreichweit nicht wahrgenommen wird.

Prokop: Jein. Uns geht's punkto TV-Übertragungen relativ gut, wir sind oft live zu sehen. Natürlich kann man sagen, wenn man Fußball und Skisport ausnimmt, dass Sport in Österreich fast nicht existent ist. Es ist auch wurscht, welche Zeitung du hernimmst - fast jede müsste ihre Sportseiten eigentlich Fußball- oder Ski-Seiten nennen.

Standard: Anderswo spielt sich halt auch in anderen Sportarten mehr ab. In deutschen Dörfern kommen Tausende zu Handballspielen.

Prokop: Dort hat Handball so viele Zuseher wie bei uns Rapid. Aber wenn zu Rapid 8000 oder, von mir aus, 17.000 kommen - sollen das für eine Stadt wie Wien vielleicht viele sein?

Standard: Aber wie viele Österreicher sehen sich Handball an?

Prokop: Der Österreicher ist ein Sportmuffel. In Deutschland sind auch beim Judo oder Turnen die Hallen voll. Dabei ist der Spitzensport gar nicht das Wichtigste.

Standard: Was ist wichtiger?

Prokop: Dass im Kindergarten und in der Schule das Interesse an Bewegung geweckt wird. Wer sich selbst bewegt, interessiert sich später oft auch für Spitzensport.

Standard: Gusenbauer setzte Arbeitsgruppen ein, um herausfinden, wie der Sport zu fördern wäre. Auch Sie haben mitgewirkt. Was blieb davon, was wurde umgesetzt?

Prokop: Das sind sehr anständige Unterlagen geworden. Einige dieser Ansätze würden nicht einmal etwas kosten, die wären ganz leicht umzusetzen. Aber dann kommt der nächste Minister, legt das alte Papier weg und bildet eine neue Strukturkommission.

Standard: Also wurde, Ihrer Meinung nach, nichts umgesetzt?

Prokop: Unsere Politiker stehen am Flughafen, wenn jemand etwas gewonnen hat. Aber wie viel Platz hat Sport in den politischen Programmen? Ob Darabos etwas weiterbringt? Ich weiß es nicht. Ich bin in keiner Arbeitsgruppe mehr.

Standard: Sie bringen sich auch im Handballbund nicht mehr ein. Eine Zeitlang war Hypo praktisch identisch mit dem Nationalteam, da gab's auch Erfolge auf Team-Ebene.

Prokop: Wir haben WM- und EM-Medaillen geholt. Hypo hat halt auch über vieles hinweggetäuscht. Seit 1999 ist es beim Team ein Dahinvegetieren. ÖHB-Präsident Gerhard Hofbauer wollte mich nicht mehr, hat gesagt, meine Zeit sei abgelaufen. Damit war die Geschichte für mich erledigt.

Standard: Würden Sie sagen, dass Sie als, wie Sie von vielen genannt werden, Handball-Zampano Ihre Mission erfüllt haben?

Prokop: Was heißt schon "Mission erfüllt" ? Ich habe im Sport keine Mission zu erfüllen, mir macht der Sport einfach Spaß. Man ist im Sport nie am Ziel oder fertig, das Gewinnen bleibt immer schön. Klar will ich noch einmal die Champions League gewinnen.

Standard: Bedauern Sie ab und zu, Ihre Erfolge nicht im Männersport erzielt zu haben? Die Aufmerksamkeit wäre wohl größer gewesen.

Prokop: Das ist mir wurscht. Was ich tue, tue ich nicht, um aufzufallen, sondern, wie gesagt, weil es mir Spaß macht. Ich arbeite gerne mit Frauen. Sie lassen sich vielleicht nicht so leicht auf ein Ziel fokussieren wie Männer, aber wenn man sie einmal überzeugt hat, kann man mit Frauen leichter arbeiten. Dann lassen sie sich nicht mehr ablenken.

Standard: Und die Konkurrenz ist bei den Frauen wohl kleiner.

Prokop: Das war einmal. Heute ist auch Frauen-Handball in vielen Ländern athletisch und schnell.

Standard: Was trauen Sie Österreichs Männern bei der Heim-EM im Jänner zu?

Prokop: Ich glaube, dass Teamchef Dagur Sigurdsson ein guter Mann ist, der Handball versteht. Aber er ist falsch eingesetzt. Er trainiert in Deutschland einen Klub und nebenbei unser Nationalteam. Das ist problematisch. Fürs Team spricht, dass es etliche Legionäre gibt, die in wirklich starken Ligen spielen. Wenn eine ähnliche Euphorie wie 1992 entsteht, kann vielleicht eine Sensation gelingen. Und das Überstehen der Vorrunde wäre schon sensationell. (Mit Gunnar Prokop sprach Fritz Neumann - DER STANDARD PRINTAUSGABE 31.10. 2009)