Vielleicht kein ganz wirtlicher Ort, aber einer voller Geheimnisse allemal: Zeltexpedition ins ewige Eis der Antarktis - mit dabei der deutsche Filmemacher Werner Herzog.

Foto: Viennale

Pinguine sind süß. Und besonders süß sind sie in der Regel, wenn sie vor die Linse eines Naturfilmemachers treten - wie in dem Blockbuster Die Reise der Pinguine, wo sie mit menschlichem Gedankengut befrachtet werden. Angesichts solcher Verniedlichungen ist es wichtig, wieder einmal daran zu erinnern, dass es sich bei den possierlichen Vögeln um Tiere handelt, deren Verhaltensweisen immer noch einige Rätsel aufgeben.

Zum Beispiel: "Stimmt es, dass manche Pinguine schwul sind?" - oder: "Gibt es so etwas wie Wahnsinn bei Pinguinen?" Werner Herzog lässt sich in seinem Dokumentarfilm Encounters at the End of the World nicht die Gelegenheit entgehen, bei einem wortkargen Pinguinforscher einmal genauer nachzufragen. Die Antwort findet er freilich selbst, als er ein Exemplar aufspürt, das seine Herde verlassen hat und nun unbeirrbar in Richtung eisiger Berge watschelt - dem sicheren Tod entgegen.

Es ist nicht das einzige Mysterium, das Herzog in der Antarktis entdeckt. Der deutsche Filmemacher hat sich schon immer für Orte mit Geheimnissen interessiert, die sich nicht unbedingt mit Mitteln der Vernunft lüften lassen und dabei etwas Bildmächtiges bewahren. Anlass für seine Reise an den südlichsten Punkt der Erde sind ursprünglich Unterwasseraufnahmen eines befreundeten Tauchers, die unter dem meterdicken Eis versteckte Traumwelten offenbaren.

Doch das Besondere an Encounters at the End of the World sind nicht unbedingt die Naturaufnahmen, sondern die Qualität eines Ortes, der Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten und Biografien magisch an sich zieht. Menschen, die auch Herzogs Projekt einer Reise an die Grenzen des Abenteuertums einen anderen Kurs nehmen und sukzessive zum essayistischen Porträtfilm über Aussteiger, Entdecker und fröhliche Wissenschafter werden lässt. Der Rest der Welt ist weit entfernt - und darüber scheint hier niemand allzu unglücklich zu sein.

Schon der Busfahrer am Landeplatz der mondstationähnlichen Besiedelung McMurdo Sound entpuppt sich als Bäcker aus den USA, der zuerst als Peaceworker nach Guatemala ging und schließlich immer tiefer in den Süden abrutschte. Dann gibt es Physiker, die Kleinstpartikeln hinterherjagen, einen Linguisten, der das Aussterben von Sprachen beklagt, oder Biologen, die nach den Ursprüngen des Lebens forschen und ihre Erfolge mit Rockkonzerten krönen.

Herzog, der aus dem Off mit Exkursen zum Stand der Menschheit unterhält, versammelt eine verschworene Gruppe an Eigenbrötlern, die man sich eigentlich nur in der Antarktis vorstellen mag - Grenzgänger ihrer Disziplinen (so wie der Regisseur selbst). (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 31.10.2009)