Zusammengehörigkeit, die sich in Zeiten der Bedrohung vertieft: Der Lebensraum von Knecht Xiao Li Zi und den Hirtenhunden auf einem Gehöft in der tiefen chinesischen Provinz wird behördlich aufgelöst.

Foto: Viennale

Während hierzulande das Jagen als neue Bobo-Sportart entdeckt wird, sind Jäger und Fallensteller in der nördlichen Mandschurei noch existenzielle Berufsbezeichnungen. Herr Han bestreitet, seit er seinen Job in der regionalen Forstverwaltung verloren hat, mit seiner Frau und dem Knecht Xiao Li Zi (nach dessen Name der Film im Original betitelt ist) ein karges Leben in einer abgeschiedenen Gegend. Er jagt, um zu essen. (Die Kinder leben in der Stadt.)

Vor allem durch Geräusche und Stimmen erzeugt Survival Song eine unmittelbare Nähe zu den alltäglichen Verrichtungen: das Knirschen des klirrend kalten Schnees beim Wasserholen in der Früh; das Abnagen der Knochen beim Abendessen; das Rascheln der Plastikplanen, die als Fenster dienen; oder die düsteren, von geschmalzenen Flüchen begleiteten Abendstunden bei magerem Kerzenlicht (keine Elektrizität).

Die natürlichen Grenzen dieses Daseins markieren im dokumentarischen Familienporträt Yu Guangyis zunächst die frappierende Abhängigkeit vom unmittelbaren Lebensraum. Doch ist hier nicht ländliche Armut das Thema, sondern die sich dagegen formierende Lebenskraft, die bizarrerweise nicht an den prekären Lebensbedingungen zu zerbrechen droht, sondern an einer übergeordneten und unsichtbar zugreifenden Politik.

Die regionale Behörde will das Haus schleifen, da es, so die offizielle Erklärung, in der Flutzone eines neu gebauten Wasserreservoires liegt. Indirekt erzählt Survival Song also vom vorgesehenen (und von den Betroffenen mehrfach als "korrupt" bezeichneten) Auflösen unrentabler Landschaften und der damit verbundenen Lebensformen. Wer braucht schon Einsiedler? Profitabler wäre es, die hier lebenden Wildschweine dem Jagdtourismus freizugeben.

Heimliche Hauptfigur des kommentarlosen Films ist der Ziegenhirt Xiao Li Zi, der bei den Hühnern schläft und seine harten Tage mit kleinen Liedern begrüßt. Das isolierte Leben hat ihn ein wenig verrückt gemacht: Er singt dem Gefieder kommunistische Loblieder vor ... An ihm - und das ist der menschliche Triumph in dieser Geschichte - prallt jede Autorität ab: Sei es die des Bauern Han oder jene von Forstbeamten, die irgendwann Wild konfiszieren. Xiao Li Zi entwischt ihnen und geht - so hat ihn das Leben ein für alle mal ausgestattet - 90 Kilometer in 25 Stunden zu Fuß nach Hause zurück.

Am Ende ist aus der betreffenden Region - auf Kosten einer Familie - tatsächlich eine Touristenattraktion geworden. Mit der "Zähmung" der Landschaft ist auch die unkontrollierte Lebensform verschwunden. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/Printausgabe, 31.10.2009)