Am 9. Jänner startet das Programm in 53 Städte im Ruhrgebiet.

Foto: Manfred Vollmer

Essen - Mit mehr als 2.500 Veranstaltungen lockt das Ruhrgebiet als eine von drei "Kulturhauptstädten Europas" 2010. Vom anspruchsvollen Musik- und Theaterzyklus bis zum Mega-Volksfest mit Gesang und Tanz auf einer gesperrten Autobahn reicht die Bandbreite der insgesamt 300 Projekte, die mit einem Etat von gut 60 Millionen Euro jetzt gesichert seien, sagten Vertreter der Ruhr.2010 GmbH als Träger des Hauptstadtjahres am Freitag in Essen.

Nach der finanziell begründeten Absage einer geplanten Riesen-Eröffnung und des sündhaftteuren Projektes "Stadt unter Tage" in einem alten Kohleschacht könne man noch geringe Fehlbeträge durch bescheidenere Ausgestaltung einzelner Events ausgleichen, sagten Oliver Scheytt und Fritz Pleitgen als Vorstand von Ruhr.2010.

Der bunte Reigen aller Künste, der sich ein Jahr lang quer durch die 53 Ruhrgebietsstädte zieht, startet am 9. Jänner mit einem Fest vor der Kulisse des Architektur-Welterbes der früheren Essener Zeche Zollverein. Den erwarteten 70.000 Gästen, darunter auch der deutsche Bundespräsident Horst Köhler, wird Rock-Barde Herbert Grönemeyer bei der live im Fernsehen und Radio übertragenen Party eine neue "Ruhrhymne" präsentieren.

Unter dem eher theoretischen Motto "Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel" soll das Programm die rasante Veränderung der ehemaligen Industrieregion deutlich machen: "Wir wollen mit starken und frischen Bildern gegen das veraltete, standortschädigende Image vorgehen", betonte der frühere WDR-Intendant Pleitgen. Hierzu gehören sicherlich die gut 300 großen Luftballons, die über stillgelegten Kohleschächten im Revier schweben sollen oder das 59 Kilometer lange Nachbarschaftsfest an Tapezierertischen auf der Autobahn 40.

Den auf gut 200 Seiten des Programmhefts dokumentierten Spagat zur anspruchsvollen "E-Kultur" markiert ein Musikzyklus zum Lebenswerk des Komponisten Hans Werner Henze (83) oder ein Mahler-Sinfonie-Konzert mit allen Chören und Orchestern der Region unter Stabführung Lorin Maazels. Eine große Mittelalter-Ausstellung will die oft verkannte lange Geschichte des früheren "Kohlenpotts" zeigen und "König Fußball" kommt mit der Europameisterschaft kickender Schriftsteller zu seinem guten Recht. Architekturfans sollten den Besuch im Ende Jänner neu eröffnenden Essener Folkwang-Museum einplanen, das der britische Baumeister David Chipperfield entworfen hat.

Ein sechsteiliger Bühnen-Zyklus der von heutigen Autoren neu bearbeiteten "Odyssee" als Reise durch das Ruhrgebiet oder eine Ausstellungskooperation von 20 Museen zwischen Duisburg und Unna markieren jetzt schon einen ersten Erfolg der Kulturhauptstadt. Nie zuvor hat es im Revier mit seinen gut fünf Millionen Bürgern eine so enge Kooperation über die Grenzen der 53 beteiligten Kommunen gegeben, deren Straßenbahnen wie eh und je wegen verschiedener Spurbreiten an den Stadtgrenzen haltmachen müssen. Ob die viel beschworene "Nachhaltigkeit" des kulturellen Aufbruchs in der erträumten neuen "Metropole Ruhr" nach 2010 erhalten bleibt, wird sich zeigen: Mehr als die Hälfte der krisengeschüttelten Städte im Ruhrgebiet unterliegt einem Nothaushalt - da liegt der Griff zum Rotstift gerade beim Kulturetat besonders nah. (APA)