"Sonne, Wind und Wasser sind eh da - warum soll ich Öl kaufen?", erklärt die Hotelchefin Michaela Reitterer

Foto: STANDARD/Boutiquehotel Stadthalle

Auf dem Flachdach im Innenhof duftet Lavendel und lockt mitten im 15. Bezirk Grillen an.

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Das Hotel versorgt sich selbst mit Energie: Die Feuermauer liefert Sonnenstrom - auf dem Dach wird das Warmwasser aufbereitet - Windräder sollen zusätzlich Strom liefern

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Während der Sanierung des Altbaus wurde der Wilde Wein der Fassade vorübergehend am Baugerüst fixiert

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Wien - Sogar das Hotelschild wird ein wichtiger Bestandteil des Gesamtkonzeptes sein: "Eine Fotovoltaikanlage über fünf Stockwerke - und das Hotellogo wird aus integrierten LED-Lampen bestehen", schwärmt Michaela Reitterer. Auch die Außenwerbung steht für das Programm, das die Hotelbesitzerin im ganzen Haus umsetzt. Von oben bis unten, bis ins kleinste Detail. Energie sparen - und produzieren: thermische Sanierung eines Altbaus, daneben ein Neubau mit Passivhaus-Standard, dazu Sonnenstrom, solare Wärmegewinnung, ein Brunnen mit Wärmetauscher und sogar Windräder auf dem Dach.

Stromüberschuss zurückholen

So entsteht mitten im Gründerzeitviertel des 15. Wiener Gemeindebezirk das - vermutlich weltweit - erste Null-Energie-Hotel. "Genau genommen ein Null-Energiebilanz-Hotel", betont Reitterer. "Das Haus ist nicht energieautark, weil wir keinen Pufferspeicher haben. Der Stromüberschuss, den wir tagsüber ins Netz einspeisen, holen wir uns, wenn's dunkel ist, wieder zurück."

Wenn diese Hotelchefin durch ihr Haus und ihre Baustelle in der Hackengasse 20 führt, ist es, als würde man ein Energieseminar für Fortgeschrittene besuchen. Dabei hatte sie sich das alles selbst nach und nach angeeignet. Wie sie zum Öko-Thema kam? "Ich wurde so erzogen. Mit 19 hab' ich begonnen, Müll zu trennen." Zur fachlichen Kompetenz kommt bei Reitterer nüchterner Hausverstand mit einem Quantum Wiener Schmäh: "Sonne, Wind und Wasser sind eh da - warum soll ich Öl von den Arabern kaufen?"

Sanierungswürdiges Objekt

Abgekauft hatte Reitterer das Hotel Stadthalle im Jahr 2001 ihren Eltern. Ein sanierungswürdiges Objekt mit Etagenduschen in zwei Stockwerken. Der Umbau wurde gleich in Angriff genommen - "und da hab' ich mir gedacht: Bevor ich Ziegel auf's Dach leg', machen wir doch gleich eine Solaranlage." Der große Vorteil dieser Wärmegewinnung: "Darunter wird es einfach nicht heiß. Das ist vermutlich der einzige Ausbau unter einem Schrägdach in Wien, der keine Klimaanlage braucht."

Auf dem Flachdach im Innenhof sprießt wiederum Lavendel - die Grillen lieben ihn. "Man fühlt sich im Sommer wie in Griechenland. Einmal hatten Gäste gesagt: ,Die Musik ist eh nett - aber könnten Sie's nicht abdreh'n?'

Ständiges Tüfteln

Vor einem Jahr wurde dann am Nachbargrundstück mit dem Neubau begonnen. Und mit dem ständigen Tüfteln. Unten die Tiefenbohrung für den Wärmetauscher, oben die Heizung über Betonkernaktivierung - auch dass ausschließlich Energiesparlampen und LED-Leuchtmittel verwendet werden, ist durchaus eine Herausforderung für ein Haus, in dem sich die Gäste wohlfühlen sollen: "Als wir die LED-Lampen in einem Gang getestet haben, hat's mir die Schuhe ausgezogen. Das Beige war auf einmal zitronengelb. Als wir mehr Braun in die Farbe gemischt haben, hat es auf einmal funktioniert."

"Ich bin keine Öko-Tussi"

Nachhaltigkeit auf allen Ebenen: Die Ausstattung wurde teils aus alten Möbeln recycelt und das Hotel hat sogar einen Komposthaufen. Wobei die Hotelchefin ausdrücklich betont: "Ich bin keine Öko-Tussi. Meine Mitarbeiter müssen keine Unterwäsche aus Wolle von glücklichen Schafen tragen."

Ökostromgesetz wäre dringend notwendig

Die Kosten? "Ich spüre keinen Schmerz mehr", lächelt Reitterer. Allein für den Neubau werden 3,8 Millionen Euro verbaut. Wobei die Hotelchefin mit den politischen Voraussetzungen hadert: "Solange es kein ordentliches Ökostromgesetz mit entsprechenden Einspeisetarifen gibt, braucht man für so ein Projekt eigentlich keinen Banktermin ausmachen. Da braucht man nicht einmal das Excel hochfahren. Versteht das denn niemand?"

Windräder am Hoteldach

Und ob das Konzept wirklich komplett aufgeht, entscheidet sich allerdings erst Anfang November: Da muss in einer Verhandlung geklärt werden, ob die geplanten Windräder am Hoteldach in der "Umweltmusterstadt" Wien überhaupt genehmigt werden. Dass die vertikalen Windräder sogar leiser sind als Straßenlärm - oder die Lüftung vom Supermarkt gegenüber -, hat Reitterer inzwischen belegt.(Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe 29.10.2009)