Bild nicht mehr verfügbar.

Schwedens Premier Fredrik Reinfeldt (Mitte) hat eine Monsteraufgabe: In den kommenden Tagen fallen die Würfel rund um den Lissabon-Vertrag. Die Parteifreunde Kanzlerin Angela Merkel und Kommissionschef José Manuel Barroso stehen ihm dabei helfend zur Seite.

Foto: Reuters/Pirlet

Brüssel - Zum Auftakt des EU-Herbstgipfels in Brüssel ist die Personaldebatte zur Besetzung der wichtigsten EU-Posten, die der neue Vertrag von Lissabon bringen wird, voll entbrannt. Sowohl für die Funktion des künftigen ständigen Ratspräsidenten wie auch für den künftigen Hohen Beauftragten für die Außenpolitik sind mit den Ex-Kanzlern Wolfgang Schüssel (VP) und Alfred Gusenbauer (SP) auch zwei Österreicher unter den genannten Kandidaten. Offizielle Bestätigungen gab es Donnerstag nicht. Nur Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker und Großbritanniens Ex-Premier Tony Blair wurden bisher von ihren Ländern offiziell präsentiert.

Faymann zweifelt an Chancen für Schüssel und Blair

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) räumt Blair im Ö1-Morgenjournal allerdings derzeit keine guten Chancen für die Funktion des Ratspräsidenten ein.

Ihm sei wichtig, dass eine Person gefunden wird, zu der man sich bekennen könne, so Faymann im Ö1-Morgenjournal-Interview. Bei Blair sei das nicht der Fall, gegen ihn gebe es bei den europäischen Sozialdemokraten große Ressentiments wegen seiner früheren engen Beziehungen zu US-Präsident George W. Bush und einiger damaliger Äußerungen.

Zu Gerüchten, Wolfgang Schüssel sei als Ratspräsident im Gespräch, meinte Faymann, ihn habe darauf niemand angesprochen. Aber wenn ein österreichischer Kandidat eine Chance habe, dann werde ihn Österreich unterstützen, darauf könne man sich verlassen.

Vor dem Gipfel haben Donnerstagnachmittag die Parteichefs von Christdemokraten und Sozialdemokraten ihre Strategien für die nächsten entscheidenden Tage in personalfragen festzulegen.

Für die europäischen Sozialdemokraten (SPE) soll Kanzler Faymann gemeinsam mit dem spanischen Amtskollegen José Rodriguez Zapatero einen Kandidatenvorschlag suchen: Der britische Außenminister David Miliband gilt als Favorit, weil die SPE Blair vehement ablehnt. Die SPE pocht auf den EU-Außenminister, der auch Vizepräsident der EU-Kommission wird. Für die Christdemokraten gilt neben Schüssel und Juncker der niederländische Premier Jan Peter Balkenende als Favorit für das Präsidentenamt.

Dass Schüssel "immer wieder genannt wird" bestätigte ÖVP-Chef Josef Pröll in Brüssel. VP-Außenminister Michael Spindelegger sagte, Österreich habe "Interesse" am Präsidentenamt. Dem widersprach Kanzler Faymann: "Ich habe davon noch nie gehört".

*****

Offiziell war "das Personalpaket" beim EU-Gipfel in Brüssel kein Thema. Aber alle redeten am Donnerstag über fast nichts anderes als die Frage, wer der erste ständige Präsident des Europäischen Rates und wer der erste EU-Außenminister werden soll.

Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt, der als EU-Ratsvorsitzender Herr des Verfahrens und der Tagesordnung ist, wollte, dass "keine Konsultationen über irgendwelche Namen starten", nicht einmal informell. Er begründete dies mit dem Umstand, dass in Tschechien weder das Verfassungsgericht über eine Beschwerde gegen den Lissabon-Vertrag entschieden, noch Präsident Václav Klaus durch seine Unterschrift den Vertrag ratifiziert hat. Aber bereits zu Mittag hatten sich die Parteichefs aus den Mitgliedsländern getroffen, um eine Strategie zum Personalpaket festzulegen. Dabei wurden jede Menge Kandidaten für die beiden wichtigsten Posten ins Rennen geschickt. Natürlich unverbindlich.


Die Sozialdemokraten mit Bundeskanzler Werner Faymann erhoben Anspruch auf den Posten des EU-Außenministers. Nur Großbritanniens Premierminister Gordon Brown warb in dieser Runde für seinen Vorgänger Tony Blair für das Amt des Präsidenten des Rates.

Von den übrigen SP-Parteichefs wie auch von der SPE-Fraktion wird Blair jedoch vehement abgelehnt. Sie halten die Funktion des Außenministers für wesentlich bedeutender, ist er doch gleichzeitig Vizepräsident der Kommission.

Faymann wurde mit Spaniens Premier José Rodríguez Zapatero und dem Chef der Euro-Sozialdemokraten, Poul Nyrup Rasmussen, beauftragt, in den kommenden zwei Wochen einen SP-Kandidaten für dieses Amt zu finden und vorzuschlagen. Dies soll nach SP-Wunsch in enger Abstimmung mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy geschehen, alles Christdemokraten. Am Abend sagte Faymann, möglicherweise werde es bis 9. November am Rande des Festaktes zum Fall der Berliner Mauer erste Klärungen geben. Bei der SPE kursierten als Kandidaten Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, Finnlands Ex-Premier Paavo Lipponen, der deutsche Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Spaniens Außenminister Miguel Ángel Moratinos, der britische Außenminister David Miliband, die französische Ex-Justizministerin Elisabeth Guigou und der rumänische Ex-Außenminister Adrian Cioroianu.

Österreicher uneinig

Faymann stellte Chancen von Gusenbauer jedoch in Abrede. Außerdem habe Österreich bereits Johannes Hahn als Kommissar nominiert, weshalb der Ex-Kanzler nicht in Frage komme. Als Gegenkandidat zu Blair um das Präsidentenamt hatte sich der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker in Stellung gebracht. Beim parallel verlaufenden Treffen der Parteichefs der Volksparteien in Brüssel wurde beschlossen, dass "die Sozialisten den ersten Zugriff beim Außenminister kriegen", wie der einflussreiche deutsche EU-Abgeordnete Elmar Brok, Mitglied im Außenausschuss, bestätigte.

"Immer wieder genannt" wird bei den Christdemokraten Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel, wie ÖVP-Chef Josef Pröll in Brüssel erklärte. Favorit ist Premier Jan Peter Balkenende aus den Niederlanden.

Was Faymann aber zuletzt auch im Ö1-Morgenjournal dementierte: "Das habe ich bisher nur in Österreich gehört." Er habe in den letzten Wochen klargemacht, dass Schüssel "ein unglaublich erfahrener Politiker, ein großer Europäer ist", betonte Pröll. Zuvor hatte Außenminister Michael Spindelegger (VP) Österreichs "Interesse an dem Posten" des EU-Ratspräsidenten bekräftigt. (red/DER STANDARD, Printausgabe, 30.10.2009)