Bild nicht mehr verfügbar.

Gesundheitspersonal soll sich, wie hier in Hamburg, als erstes gegen die Schweinegrippe impfen lassen, wünschen sich die Behörden

Foto: REUTERS/Christian Charisius

Der Zustand der an der Neuen Grippe erkrankten Elfjährigen ist weiterhin äußerst ernst - Von Michael Möseneder

***

Wien - Um 8 Uhr war die Schule für die 240 anwesenden Lernenden der Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Lienz auch schon wieder vorbei. Bis 3. November können sie nun zu Hause bleiben, nachdem 27 Jugendliche und Mitarbeiter an der Schweinegrippe erkrankt sind. Einer davon ist ein Angestellter in der Küche der Anstalt, daher könne man nicht ausschließen, das sich der Virus weit verbreitet hat.

Komplikationen gab es bisher am Osttiroler Ausbruchsort allerdings nicht, der Verlauf der Erkrankung ist mild. Ganz anders bei der elfjährigen Südtirolerin, die seit Freitag mit Lungenversagen in der Uni-Klinik Innsbruck auf der Intensivstation liegt. Der Zustand des Mädchens sei weiter "äußerst ernst", das Kind bleibt an der Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Die Mediziner berichteten der Austria Presse Agentur, dass sie einen noch nicht näher identifizierten Erreger entdeckt hätten, der möglicherweise erklären könnte, warum die Krankheit bei dem Mädchen so schwer verläuft.

Wie gefährlich die Grippe nun eigentlich ist, wie hoch das Ansteckungsrisiko ist und was es mit der Impfung auf sich hat, versucht der Standard zu beantworten:

Wie ansteckend ist der H1N1-Virus?

Darüber sind sich die Experten noch ziemlich uneins. Die Aussage der für Gesundheit zuständigen EU-Kommissarin Androulla Vassiliou, es könnten sich bis zu 30 Prozent der Bevölkerung infizieren, ist nur die absolute Worst-Case-Annahme, sagt ihre Sprecherin Haravgi-Nina Papadoulaki.

Wie kommt die Kommissarin zu dieser Zahl?

Sie bezieht sich auf die Schätzung des Europäischen Zentrums für Seuchenkontrolle. Dessen Daten beziehen sich aber lediglich auf Großbritannien und sind nicht für Vorhersagen geeignet, steht im aktuellen Bulletin.

Wie haben die Zahlen bei früheren Pandemien ausgesehen?

Bei der stets als Negativbeispiel angeführten "spanischen Grippe" zwischen 1918 und 1920 ist das schwer zu sagen. Geschätzt werden 25 bis 30 Prozent Infektionsrate. Rund 2,5 Prozent der Bevölkerung starben. Allerdings: Der Erste Weltkrieg hatte speziell in Mitteleuropa zu einer schlechten Ernährungslage geführt, Antibiotika waren damals nicht verfügbar.

Wie ist die Lage derzeit in Österreich?

Die Infektionsrate ist verschwindend. Von knapp 8,3 Millionen Österreicherinnen und Österreichern wurde bei 421 der H1N1-Virus nachgewiesen.

Und wer ist betroffen?

Auffällig ist die hohe Rate an jungen Menschen. Zwei Drittel der Erkrankten sind zwischen 15 und 29 Jahre alt. Das unterscheidet die neue Grippe entscheidend von der "normalen", saisonalen Influenza. Das deckt sich auch mit den Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Wie kann man sich schützen?

So simpel es klingt, am einfachsten durch regelmäßiges Händewaschen mit Seife. Im Zuge des nationalen Pandemie-Planes zur Schweinegrippe (der aktiviert wurde, nachdem die WHO die Verbreitung der Krankheit zur Pandemie erklärt hat) wird nun die Schutzimpfung empfohlen.

Ist der Impfstoff schon klinisch erprobt?

Nein, um im Falle einer Pandemie rechtzeitig Impfstoff vorrätig zu haben müssen die Pharmakonzerne klinische Studien erst nach der Zulassung abliefern. Derzeit sucht beispielsweise die Medizinische Universität Wien Kinder zwischen sechs und elf Monaten für einen derartige Untersuchung. Es werde noch bis nach Weihnachten dauern, bis erste Ergebnisse vorliegen, schätzt Studienleiterin Elisabeth Förster-Waldl. Allerdings: bis dahin haben vorsichtige Eltern wohl schon längst im Zuge der "Normalen" Impfaktion immunisieren lassen.

Wer soll sich impfen lassen?

Das Gesundheitsministerium empfiehlt zwei Risikogruppen - chronisch Kranke und Schwangere - sich ab 9. November zwei spritzen im Abstand von drei Wochen geben zu lassen. Etwas seltsam daran: Die von der Erkrankung offenbar besonders betroffenen Teenager und Twens sind nicht als Risikogruppe angeführt. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe 29.10.2009)