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Schwedens Premier Fredrik Reinfeldt muss den Gipfel am Donnerstag und Freitag managen, viel Vermittlungsgeschick ist gefragt.

Foto: AP/Geert Vanden Wijngaert

Nur wenige Stunden nach ihrer Angelobung im Bundestag flog die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Mittwochnachmittag nach Paris zu einem Treffen mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Solche deutsch-französische Konsultationen auf höchster Ebene haben eine lange Tradition. Die beiden mächtigsten und einflussreichsten Länder der Union nützen dies, um den Partnern in Europa ihre historisch wichtige Bedeutung beim Wiederaufbau und vor wichtigen Entscheidungen zu zeigen.

Im konkreten Fall erwarteten Diplomaten Anhaltspunkte, welche Richtung in personellen und inhaltlichen Fragestellungen das Duo Merkel/Sarkozy für die nächsten Tage und Wochen vorgeben könnten. Heute, Donnerstag, treffen sich die 27 Staats- und Regierungschefs der EU beim traditionellen Herbstgipfel in Brüssel.

Dabei stehen neben dem Klimaschutzpaket mit den Vorbereitungen für den Klimagipfel in Kopenhagen vor allem die Fragen an, die in Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des neuen EU-Vertrags von Lissabon zusammenhängen. Da das tschechische Höchstgericht seine Entscheidung über Klagen gegen den Vertrag auf 3. November, Dienstag nächster Woche, verschoben hat und nicht klar ist, ob und wann der tschechische Präsident Václav Klaus letztgültig unterschreiben könnte, ist es für die schwedische EU-Ratspräsidentschaft ungemütlich geworden.

Denn wenn man erreichen möchte, dass mit Jahreswechsel nicht nur eine neue EU-Kommission, sondern auch der erste Präsident des Europäischen Rates und der Hohe Vertreter für die Außenpolitik, der gleichzeitig Vizepräsident der Kommission wäre, ihre Arbeit aufnehmen können, dann müssen sehr rasch die wichtigsten Personalfragen gelöst werden.

Ursprünglich wollte Premierminister Fredrik Reinfeldt das bereits beim jetzigen EU-Gipfel klären. Nun ist ein Sondergipfel im November geplant, sodass die neuen EU-Spitzen sich allesamt Anfang Dezember dem Europäischen Parlament stellen können.

Zentrale Präsidentenfrage

Im Zentrum aller Überlegungen steht derzeit der Streit um den Posten des EU-Präsidenten. Wie berichtet, haben sich der Luxemburger Jean-Claude Juncker, der Ministerpräsident, und indirekt auch der britische Ex-Premier Tony Blair bereits in Stellung gebracht.

Merkel, so heißt es in informierten Kreisen, werde auf jeden Fall zu verhindern wissen, dass Blair zum Zug kommt. Ob Sarkozy, der noch im Juni für Blair geworben hatte, dann aber abrückte, in den deutschen Wunsch einstimmt, war am Mittwoch noch unklar.

Die deutsche Kanzlerin, heißt es unter CDU-Abgeordneten, habe nach der schwierigen Regierungsbildung in Berlin jetzt jedenfalls die Hände frei für die großen europäischen Entscheidungen. Was den Posten des künftigen Präsidenten betrifft, wird von Deutschland offenbar ein Vertreter gewünscht, der aus einem Land kommt, das dem Projekt der Integration der EU tief verbunden ist. Sollte Juncker wegen seines offensiven Auftretens gegen Blair aus dem Rennen genommen werden, so müsste ein Kompromisskandidat her. Neben Tarja Halonen und Paavo Lipponen aus Finnland (Präsidentin und Ex-Premier) taucht der Name Wolfgang Schüssels aus Österreich und des Niederländers Jan Peter Balkenende auf. Merkel hat sich bisher öffentlich in keiner Weise dazu geäußert. Gleichzeitig war davon auszugehen, dass Merkel und Sarkozy auch abstimmen, welche Wünsche die beiden Länder in Bezug auf wichtige Kommissarsposten haben. Paris will demnach Binnenmarkt oder Wettbewerb, Berlin ein wichtiges Wirtschaftsdossier. (Thomas Mayer aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 29.10.2009)