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April 2008: Ein seit Jahren leerstehendes Haus in Wien-Alsergrund wird geräumt, nachdem es am Vorabend durch mehrere Dutzend Aktivisten im Zuge eines 'Internationalen Aktionstags für Freiräume und Besetzungen' in Beschlag genommen worden war

Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Mit rund 80.000 bezifferte die "Gruppe Hausprojekt", die Anfang Oktober eine Woche lang das leerstehende ehemalige Schulgebäude in der Triesterstraße 114 besetzt hielt, den Wohnungsleerstand in Wien. Was bedeuten würde, dass etwa jede zehnte Wohnung unbewohnt ist. Eine Zahl, die auf den ersten Blick astronomisch anmutet.

Wie viele Wohnungen stehen in Wien aber tatsächlich leer? Die letzte Studie zum Thema stammt aus dem Jahr 1995 und wurde vom "Infoservice Wohnen und Bauen" kurz iswb, einem Gemeinschaftsprojekt des Ökologie-Instituts für angewandte Umweltforschung und der Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen, durchgeführt.

Ihr zufolge standen zu Beginn der 1990er Jahre rund 100.000 Wohnungen leer. Beim Lesen offenbart sich schnell die Crux: Die Zahl wird von Seiten der Hauseigentümer genannt. "Es seien die Mieter, die diese Wohnungen, weil sie so billig sind, nicht hergeben wollen, obwohl sie sie nicht bräuchten", heißt es in der Studie. Und weiter: "Auch für die Hauseigentümer sei ein angemessener Mietzins ein notwendiger Anreiz, leere Wohnungen wieder auf den Markt zu bringen. Auf der Seite der Mieter werden die publizierten Leerstandszahlen stets bestritten und widerlegt. Das durch freie Marktmieten in Wien mobilisierbare Potential umfasse in Wirklichkeit nur rund 10.000 Wohnungen."

Leerstand unbekannt

Ein aktueller Gesamtbestand der Wohnungsleerstände würde nicht erhoben, sagt Eva Bauer, Leiterin des Wohnwirtschaftlichen Referates des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen. Zum einen sei der Aufwand erheblich und man müsste laufend kontrollieren, zum anderen sei es "wohnungspolitisch heikel", sagt Bauer. "Man müsste evaluieren, wie es zu den Leerständen kommt". Ob die Wohnungen beispielsweise zu teuer, oder baufällig seien. Die letzten, ihr vorliegenden Daten seien von der Volkszählung 2001 und würden einen Rückgang zeigen. Eine genaue Zahl könne sie aber auch nicht nennen. Vielleicht die Statistik Austria, denn die würde Gebäude- und Melderegister zusammenführen.

Kurt Vollmann von der Statistik Austria winkt ab; das würde nicht gemacht. "Die Statistik kann eventuelle Leerstände nicht erheben, weil es nahezu unmöglich ist, Leerstand an sich zu definieren." Immerhin könne man nicht davon ausgehen, dass eine Wohnung, in der niemand gemeldet ist, tatsächlich leer stehe. Möglicherweise würde sie lediglich umgebaut. "Viele, die angeblich leer stehen sind Zweitwohnsitze. Oft werden Wohnungen aufgehoben, etwa für die Kinder, die später in Wien studieren werden." Andere würden aufgrund von Renovierungs- oder Umbauarbeiten dem Markt nicht zu Verfügung stehen, sagt Vollmann. "Ab wann soll eine Wohnung also als leerstehend gelten?" Nach einem halben Jahr müsse eine Nutzung ermöglicht werden, lautet die Antwort der "Initiative Pankahyttn", die auf ihrer Website "Mietfreies Wohnen für Alle! Unbefristete Hauptmietverträge auf Betriebskostenbasis für alle, sowie die sofortige Öffnung leerstehender Häuser und Wohnungen fordert. "Unmöglich", würde die Antwort aus SPÖ-Wohnbaustadtrat Michael Ludwigs Büro lauten.

Kein Wohnungsmangel

Es mangle der Stadt nicht an günstigen Wohnungen, sagt Ludwig-Sprecher Hanno Csisinko. Den Bedarf an einer weiteren Studie sehe er nicht: "Ich verstehe die Bedeutung der Erhebung nicht, immerhin kostet das ja auch etwas." Ein "Armutszeugnis", wie der nicht amtsführende Grüne Stadtrat David Ellensohn findet. Auf seiner Website schreibt Ellensohn, in der Bundeshauptstadt seien mehr als 8.000 Wohnungen unbenützt und dienten der Spekulation. 8.000 oder doch 80.000, wie die "Gruppe Hausprojekt" behauptet? "Man kann beide Zahlen argumentieren", sagt Ellensohn. Er fordere eine Leerstandsabgabe und dass die Stadt Wien verlassene Wohnhäuser übernehme, wie es das Mietgesetz in Notfällen erlauben würde.

So sei das Gesetz nicht auslegbar, kontert Csisinko: "Niemand kann mir vorschreiben, was ich mit meiner Wohnung mache, so lange ich sie nicht baulich verkommen lasse." Wohnungsspekulation, so wie sie Ellensohn kritisiert, gebe es seit den 1990er Jahren kaum mehr. Wie erklärt er sich dann die hohe Zahl an Leerständen? "Laut Wohnbedarfsprognosen, die die Stadt Wien mit der Statistik Austria in zwei, fünf und zehn Jahresabständen erhebt, standen im Jahr 2001 etwa 60.000, der rund 920.000 Wiener Wohnungen leer. Diese Zahl hat sich im Rahmen der Erhebungen zur Wohnbedarfsprognose im Jahr 2007 auf 30.000 reduziert", rechnet Csisinko vor. Gut 10.000 sind für Sanierungen einzurechnen. Zwei Drittel, etwa 19.000, gelten als so genannte "Mobilitätsreserve": Wohnungen, die Zuzüge, Umzüge und Geburten abfedern. "Das entspricht rund zwei Prozent des Gesamtwohnungsmarktes und damit auch dem internationalen Vergleich", sagt Csisinko zufrieden. "Es gibt ein großes Wohnungsangebot in Wien." (bock, derstandard.at, 29.10.2009)