Im Mai 2009, beim 32. Landesparteitag der ÖVP Wien, war von Hahns Wechsel noch keine Rede. Wie es jetzt mit der Wiener Volkspartei weitergeht, ist unklar.

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Bei der Wiener ÖVP war am Mittwoch nach außen hin "business as usual" angesagt - auch wenn erst tags zuvor der Spitzenkandidat Johannes Hahn in Richtung Brüssel abhanden gekommen ist. Also präsentierte Landesgeschäftsführer Norbert Walter gemeinsam mit Noch-Wissenschaftsminister und Noch-Landesparteichef Hahn unverdrossen die aktuelle Herbstkampagne.

Geht es nach Johannes Hahn, dann soll das "Noch" eigentlich gar nicht vor dem "Landesparteichef" stehen. Denn Hahn ist davon überzeugt, dass es "nicht notwendig ist, das Amt zurückzulegen" . Er könne sich sogar vorstellen, noch über die Wien-Wahl im kommenden Herbst hinaus Landesparteichef zu bleiben, sagte Hahn. Der neue Spitzenkandidat müsse nicht automatisch Parteichef werden: "Der soll sich auf die Wahl konzentrieren, wer Parteiobmann ist, ist eine interne Angelegenheit."

Anders sieht man dies allerdings in Brüssel. Johannes Hahn muss als künftiger EU-Kommissar das Amt des Wiener VP-Chefs wahrscheinlich abgeben, machte der Sprecher von Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch in Brüssel in einer Stellungnahme deutlich. Er verwies auf die Verpflichtungen eines Kommissars, die sich sowohl aus den EU-Verträgen als auch aus einem Verhaltenskodex (Code of Conduct) für die Kommission ableiten lassen.

Kein weiteres Amt

Demnach "ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Kommissar Parteimitglied ist, und es ist nicht ausgeschlossen, dass er eine politische Überzeugung hat, aber es ist ausgeschlossen, dass er irgendein Amt außerhalb der EU-Kommission ausübt" , sagte Kommissionssprecher Johannes Laitenberger.

Zum konkreten Fall Hahn wollte Laitenberger explizit nichts sagen, weil die Kommission "in diesem Stadium" der Zusammenstellung der Kommission keinen Kommentar abgebe, weder zu Namen noch zu Funktionen.

In der Vergangenheit hatte es immer wieder Unstimmigkeiten gegeben, wenn Kommissare versuchten, nebenher anderen Tätigkeiten - zum Beispiel als Bürgermeister oder in Parteien - auszuüben. Nach den Skandalen, die zum Sturz der Santer-Kommission im Jahre 1999 geführt hatten, wurde unter Romano Prodi ein strenger Verhaltenskodex eingeführt. Demnach muss ein Kommissar alles unterlassen, was seine Unabhängigkeit im Dienste der EU auch nur im Geringsten in Frage stellen könnte.

Das Amt eines Parteichefs in einer Stadt von der Größe Wiens gehört - noch dazu im anlaufenden Wahlkampf - naturgemäß dazu. Ein EU-Kommissar ist ja nicht nur für sein eigenes Dossier zuständig. Die Kommission funktioniert als Kollegialorgan. Auch ein etwaiger Forschungskommissar Johannes Hahn entscheidet also über wesentliche, die Stadt Wien betreffende Dinge - wie Förderungen oder Kartellverbote - mit.

Es wäre äußerst ungewöhnlich, wenn der Kommissionspräsident dies zuließe: Kommissare dürfen nicht einmal den Anschein von Befangenheit erwecken, sondern sind ausschließlich der Europäischen Union verpflichtet. Nicht zu vergessen: Hahn muss auch noch die Anhörung im EU-Parlament absolvieren und sich dort unangenehme Fragen nach seiner Unabhängigkeit gefallen lassen.

In der Wiener ÖVP herrscht nun offenbar keine geringe Verwirrung darüber, wie es weitergehen soll: "Hahn sagte uns, Barroso habe ihm signalisiert, dass es für ihn kein Problem sei, wenn er weiter Wiener VP-Chef bleibe." Sollte das am Ende anders sein, müsse man "neu überlegen" .

Dafür plädiert übrigens der intern mächtige (und momentan wieder sehr agile) Döblinger Langzeit-Bezirksvorsteher Adolf Tiller: Zu Hahns Ansinnen, Obmann der Wiener VP bleiben zu wollen, meinte er am Mittwoch kurz und bündig: "Das wird so nicht gehen." (Bettina Fernsebner-Kokert und Thomas Mayer, DER STANDARD, Printausgabe, 29.10.2009)