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Gespannt schaut in Deutschland alles auf den Reichstag. Die Vorhaben der Regierung aus Union und FDP müssen jetzt umgesetzt werden.

Foto: EPA, Montage: Beigelbeck

Berlin/Wien - Die neue deutsche Regierung plant Steuerentlastungen in Höhe von 24 Milliarden Euro, umfassende Reformen sind auch im Gesundheitssystem geplant. DER STANDARD stellt einige der wichtigsten Reformvorhaben von Union und FDP vor und fragte nach, ob es Auswirkungen auf Österreich gibt.

Familie

Kinderreiche Familien profitieren von den schwarz-gelben Plänen - allerdings nur dann, wenn Mama und Papa gut verdienen. Der steuerliche Freibetrag für Kinder soll von derzeit 6024 auf 8001 Euro jährlich ansteigen. Leer geht hier aus, wer viele Kinder hat, aber kein oder kaum zu versteuerndes Einkommen.

Doch parallel zu den steuerlichen Absetzbeträgen will die Koalition auch direkte Geldleistungen vergeben. Das Kindergeld (die österreichische Familienbeihilfe) steigt von 164 auf 184 Euro monatlich. Diese Summe ist für alle Kinder gleich - egal, wie viel die Eltern verdienen. Zum Vergleich: In Österreich liegt die Familienbeihilfe - abhängig vom Alter des Kindes - zwischen 105 und 202 Euro.

Steuern

"Wachstum für alle" heißt das erste Kapitel des schwarz-gelben Koalitionsabkommens. Den Hebel dafür ansetzen will die neue Regierung in Berlin vor allem bei den Steuern, "einfach, niedrig und gerecht" sollen sie künftig sein. Die Regierung will daher Steuerentlastung in Höhe von 24 Milliarden Euro, wie diese genau aussehen soll, ist noch unklar. Fest stehen bisher nur kleinere Eckpunkte der Reform: Die Erbschaftssteuer für Geschwister, Nichten und Neffen wird gesenkt. Die so genannte Zinsschranke wird gelockert, Unternehmer können also Kosten für Zinsen künftig bis zu einem höheren Betrag von der Steuerberechnungsgrundlage abziehen.

Beim Kauf von angeschlagenen Unternehmen sind Verluste künftig steuerlich vermehrt absetzbar. "24 Milliarden, für ein Land von der Größe Deutschlands ist das eine kleine Steuerreform", sagt Bernhard Felderer, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS). Ähnlich die Wirtschaftskammer: Die Entlastungen seien zu gering, um einen Wettbewerbsvorteil zu bringen. Österreich stehe daher nicht unter Zugzwang, heißt es im Büro von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl.

Interessant werden dürfte der neue Koalitionsvertrag jedenfalls für die österreichische Tourismusindustrie. Ab Jänner 2010 sollen Zimmer in deutschen Hotels bei der Mehrwertsteuer begünstigt werden. Rainer Ribing, Wirtschaftskammer-Spartenobmann Tourismus, befürchtet dennoch keinen Abfluss der Touristen. Der Unterschied beim Steuersatz (in Deutschland künftig sieben, in Österreich zehn Prozent) sei dafür nicht groß genug.

Energie

"Wir wollen den Weg in das regenerative Zeitalter gehen und die Technologieführerschaft bei den erneuerbaren Energien ausbauen", heißt es im Energie-Kapitel des deutschen Koalitionsvertrags. So soll die Anbindung von Offshore-Windparks an das Stromnetz vorangetrieben werden, bei der Biomasse-Verstromung setzt Schwarz-Gelb stärker auf organische Reststoffe als auf nachwachsende Rohstoffe.

Hocheffiziente Kohlekraftwerke sollen weiterhin gebaut werden, aus dem subventionierten Steinkohle-Abbau will man hingegen aussteigen. Von der Kernenergie will Schwarz-Gelb nicht lassen. Als "Brückentechnologie" sei diese länger nötig als bis ins Jahr 2021. Doch genaue Vereinbarungen gibt es hier noch nicht. Es ist aber möglich, dass Kraftwerke länger laufen als von Rot-Grün vorgesehen.

Gesundheit

Besonders weitreichende Reformen plant die schwarz-gelbe Koalition im deutschen Gesundheitswesen. Geplant ist die Abschaffung der solidarischen Finanzierung des Systems. Die Beiträge der Arbeitgeber in die Krankenkassen sollen bei sieben Prozent der Lohnkosten eingefroren werden, künftige Beitragserhöhungen tragen also Arbeitnehmer oder Steuerzahler alleine. Angedacht ist zudem die Einführung einer Kopfprämie, also eines Fixbetrages, der vom Einkommen unabhängig ist. Wer weniger verdient, soll einen Sozialausgleich erhalten.

Bei den Krankenkassen soll es wieder mehr Prämienwettbewerb geben, "ähnliche Ansätze haben allerdings schon bisher nicht funktioniert", sagt Thomas Czypionka vom Imstitut Höhere Studien. Das Problem steigender Gesundheitskosten gebe es in ganz Europa. Mit einer Abkehr der paritätischen Finanzierung bei der Sozialversicherung rechne er nicht, "da bestand bisher Einigkeit bei den Sozialpartnern". (go, szi, bau, DER STANDARD, Printausgabe, 28.10.2009)