Die Studenten im Audimax der Uni Wien und anderswo demonstrieren im Grunde gegen einen Umverteilungsstaat, der jahrzehntelang soziale Transferleistungen ausgebaut - und die Bildung/Ausbildung knapp gehalten hat. Die Ausweitung des Sozialstaates auf Europa-Rekordniveau war die Antwort auf die Verschlechterung der Einkommen, die wiederum durch den Verfall der industriellen Arbeit bedingt ist.

Um das zu korrigieren, hätte man in Bildung investieren müssen. Man muss die politische Taktik von Josef Pröll anerkennen, der mit einer einzigen Rede-Passage die bisherige "Verteilungsgerechtigkeitsdebatte" umgedreht hat. Bisher hatten die "Die Armen werden ärmer, die Reichen reicher" -Prediger und die "Besteuert die Reichen" -Anhänger in SPÖ und bei den Grünen die Meinungshegemonie. Pröll musste nur erwähnen, dass man einmal die Transferleistungen von den Nettogebern zu den Nettonehmern genau auflisten müsse, um zu einem realistischen Bild zu kommen - und schon hatte die Debatte ein anderes Vorzeichen.

Gewiss, gewiss, da ist die Finanzkrise und in der haben ganz sicher skrupellose Abzocker Unsummen verdient (und großteils wieder verloren). Opfer war hauptsächlich die obere Mittelschicht, denn nur die hat Geld zum Anlegen. Wer aber so blöd war, Meinl und Grasser sein Geld zu geben, ist selbst schuld (weil er keine Zeitungen liest).

Aber die Finanzkrise ändert genau null an der langfristigen österreichischen Einkommens-und Transferstruktur. Die Haushaltseinkommen hierzulande sind sehr gleich verteilt, weil den Gutverdienern genommen und dies an die Schlechtverdienenden verteilt wird. Dies bestätigt eine neue Studie des Wifo, deren Autor schlicht konstatiert: Die obere Einkommenshälfte finanziert die Untere. In dieselbe Richtung geht die jüngste Titelgeschichte des Profil, wonach "laut Berechnungen der Statistik Austria von 3,9 Millionen Erwerbstätigen (Selbstständige und Unselbstständige) insgesamt 1,8 Millionen mehr an Transferleistungen beziehen, als sie an Lohn- und Einkommensteuer abführen. Gerechnet auf die Gesamtbevölkerung, tragen zwei Millionen Nettozahler sechs Millionen Nettoempfänger; durchschnittlich muss ein Leistungsträger die Sozialleistungen von drei Landsleuten finanzieren - und seine eigenen dazu" .

Die Rede ist von Einkommen. Vermögen - die sich in der oberen Mittelschicht und darüber konzentrieren - scheinen in der Rechnung nicht auf. Vermögen wird in Österreich relativ gering besteuert. Aber die Vermögenden - und dazu gehören Millionen von "kapitalistischen" Sparbuchbesitzern - mögen das als Ausgleich für ihre sonstige übermäßige Belastung empfinden. Zum Teil ist es so gekommen, weil ganze Politikergenerationen lange den Sozialstaat aufgebaut haben, um eine autoritär anfällige Bevölkerung davon abzuhalten, wieder einer Art Nationalsozialismus zu verfallen.

Außerdem ist es schwer geworden, mit Erwerbsarbeit gut zu verdienen. Ganze Berufszweige fallen in Europa und den USA aus der "Leistungszone" heraus, weil ihre Leistung nicht mehr gebraucht wird, bzw. zu teuer ist. Zehntausende Arbeitnehmer haben nichts mehr anzubieten, was Asiaten nicht billiger machen könnten.

Sie müssten auf höherwertige Leistungen umsteigen. Aber die Regierungen, ganz besonders die österreichische, haben in dieses Upgrading nicht investiert. Österreich subventioniert niedrig qualifizierte Arbeitskräfte (noch dazu häufig aus Migrantenfamilien), riesige Beamtenheere und hat kein Geld für Bildung und Ausbildung neuer Leistungsträger. Siehe die Besetzung des Audimax. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe, 28.10.2009)