Bild nicht mehr verfügbar.

Gestern noch gab sich die Regierung unschlüssig, heute ist es klar ...

foto: apa/hochmuth

Bild nicht mehr verfügbar.

... Johannes Hahn wird EU-Kommissar.

foto: reuters/HERWIG PRAMMER

Wien – Nach wochenlangem Streit um den neuen EU-Kommissar präsentierten Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und sein Vize Josef Pröll (ÖVP) am Dienstag Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) als ihren Kompromisskandidaten. Doch nun beginnt das Zittern, ob Hahn ein prestigeträchtiges Dossier in Brüssel erhält.

Während Hahn selbst vage auf "ein Zukunftsressort" hofft, ließ Faymann durchblicken, dass "Forschung und Entwicklung etwas" sei, was Hahns Biografie und Tätigkeit entspreche. Auch Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) erwartet, dass der Wissenschaftsminister das Forschungsressort übernimmt, meint aber: "Es könnte auch Bildung sein."

Erhard Busek (ÖVP), Ex-Vizekanzler, wendet dagegen im Standard-Gespräch ein, dass Hahn als Bildungskommissar kein Durchgriffsrecht und ein winziges Budget hätte. "Und dann hätten wir für Faymanns Gesichtswahrung einen hohen Preis bezahlt" , meint Busek in Anspielung darauf, dass Faymann sich gegen den von der ÖVP favorisierten Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer gestemmt hat.

"Sehr enttäuscht" ist auch Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP): Molterer sei zum "politischen Bauernopfer" der Sozialdemokraten geworden.

Faymann begründete nach dem Ministerrat erstmals, warum Molterer für ihn nicht infrage kam: Er habe mit seinem Spruch "Es reicht!" einen Wahlkampf vom Zaun gebrochen – und "das hat einen Vertrauensbruch bewirkt" .

Wer Hahn als Wissenschaftsminister und als Wiener ÖVP-Chef beerben wird, wollte Parteichef Josef Pröll noch nicht verraten. Vieles spricht aber dafür, dass bei beiden Funktionen Frauen zum Zug kommen: Beatrix Karl etwa, ÖVP-Wissenschaftssprecherin, oder Henrietta Egerth, Geschäftsführerin der Forschungsförderungsgesellschaft. Fürs Wiener Rathaus wird unter anderen Familienstaatssekretärin Christine Marek als Nachfolgerin gehandelt.

In Brünn wurde indes die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Lissabon-Vertrages vom tschechischen Verfassungsgerichtshof um eine Woche vertagt. Damit dürften beim kommenden EU-Gipfel Ende dieser Woche auch noch keine Personalentscheidungen in Sachen EU-Ratspräsident oder Außenminister fallen.

Streit beigelegt, Kommissar nominiert: Kanzler Werner Fayman (SPÖ) und seine Vize Josef Pröll (ÖVP) schicken Johannes Hahn nach Brüssel.

Nach wochenlangem Tauziehen einigten sich die Koalitionäre am Dienstag darauf, Kommissionspräsident José Manuel Barroso den 51-jährigen Wissenschaftsminister und Wiener ÖVP-Chef für den hohen EU-Posten vorzuschlagen.

Welches Portfolio sich Rot und Schwarz für Hahn erhoffen, drückte Faymann so aus: "Forschung und Entwicklung ist etwas, wo Hahn im Lebenslauf, der Biografie und seiner heutigen Tätigkeit vieles ins Treffen führen kann."

Die Chancen, das Ressort zu ergattern, scheinen für Österreichs neuen Kommissar intakt, denn: Der derzeitige Amtsinhaber, der Slowene Janez Potoènik, der von der Regierung in Ljubljana wieder als Kandidat nominiert wurde, hat durchblicken lassen, dass ihn andere EU-Bereiche reizen.

Erhard Busek, ehemaliger Vizekanzler der ÖVP und einst EU-Sonderkoordinator für Südosteuropa, meint jedenfalls, dass es schon die Forschung für Österreich sein müsse, denn mit dem Bildungsdossier hätte Hahn keinerlei Durchgriffsrecht und ein winziges Budget. "Und dann hätten wir für Faymanns Gesichtswahrung einen ziemlich hohen Preis bezahlt" , sagt Busek, der dem Kanzler übelnimmt, dass dieser sich so vehement gegen den von der ÖVP favorisierten Wilhelm Molterer gestemmt hat. Dieser hätte eventuell das hochdotierte Agrarressort übernehmen können.

Doch zurück auf den Wiener Ballhausplatz: Dort begründete Faymann selbst erstmals, warum Molterer für ihn nicht infrage gekommen sei. Der Exvizekanzler habe mit seinem Spruch "Es reicht!" einen Wahlkampf vom Zaun gebrochen. "Das hat einen gewissen Vertrauensbruch bewirkt."

Molterer nahm die Entscheidung für Hahn geknickt zur Kenntnis. In einem der APA übermittelten Schreiben bedankte er sich bei Pröll und der ÖVP "für die Unterstützung. Es wäre eine herausfordernde Aufgabe gewesen." Den Schuldigen für seine nicht erfolgte Beförderung nannte Molterer beim Namen: "Faymann hat meine Nominierung verhindert, aus welchen Gründen auch immer."

Während des Ministerrats erklärte ein Sozialdemokrat, warum der Ex-ÖVP-Chef so enttäuscht ist: Angeblich hatte Pröll seinem Vorgänger Molterer bei der Amtsübergabe versprochen, dass er ihm den EU-Posten verschaffen werde.

Der Vizekanzler zeigte sich beim Pressefoyer jedoch "sehr froh über die Entscheidung, die wir heute herbeiführen konnten" . Pröll lobte Hahn als einen, der "aus dem Herzen der ÖVP" komme. Auf die Frage, ob sich die ÖVP nun auf die Suche nach einem anderen "Versorgungsposten" für Molterer mache, antwortete Pröll kurz und bündig, dass Molterer seine Tätigkeit als Parlamentarier habe.

Dass Barroso auf eine Frau gedrängt und die SPÖ lange auf die derzeitige Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) als Kandidatin bestanden hat, parierte Pröll so: "Wir haben die Frauenquote, seit wir bei der Europäischen Union sind, erfüllt." Soll heißen: Nach Franz Fischler und Ferrero-Waldner erhält nun eben mit Hahn wieder ein Mann das hohe Brüsseler Amt.

Der Kompromisskandidat selbst gab sich jedenfalls erfreut über seine Nominierung. Das wichtigste Ziel sei nun, erklärte Hahn, ein "Zukunftsressort" für Österreich. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 28.10.2009)