Senta Berger als korrekte Frau Böhm.

Foto: WDR/Willi Weber/Zeitsprung)

Ira Engel (Lavinia Wilson) will ihre Prämie, hat sie doch sonst keine Sicherheiten.

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Senta Berger ist ja beinahe schon ein Garant für Fernsehminuten mit sozialkritischem Mehrwert. Ob als etwa fünfzigjährige, geschiedene und höchstsympathische Taxifahrerin in "Die schnelle Gerdi" oder als unbestechliche Eva-Maria Prohacek in "Unter Verdacht" (die nächste Folge "Tausend Augen" ist am 20. November auf Arte zu sehen), die sich in einer Spezialabteilung der Polizei ausschließlich mit Amtsdelikten beschäftigt und so männerbündlerischem Treiben ungerührt und mit flotten Sprüchen ein Ende bereitet: Senta Berger bringt Themen von politischer Relevanz auf den Bildschirm.

So auch wieder vergangenen Mittwoch auf ARD in dem Fernsehfilm "Frau Böhm sagt nein". Als Sachbearbeiterin des deutschen Traditionsunternehmen Hewaro AG ist Rita Böhm (Senta Berger) eine zuverlässige und äußerst loyale Mitarbeiterin. Letzteres muss sie auch sein, schließlich kümmert sie sich seit über vierzig Jahren um sämtliche Bezüge des Vorstandes. Damit, dass die Herren aus dem Vorstand mal die "eine oder andere Geburtstagsfeier als Geschäftsessen" verpacken, kann Frau Böhm noch leben. Aber die Zustände, die mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Dr. Hochfeld eingezogen sind, kratzen an Frau Böhms bisheriger Firmentreue. Zusätzlich wird sie durch die neue junge Kollegin Ira Engel aufgestachelt, die sie über gröbere moralische Verfehlungen der Bosse informiert: Korruption und auch Erpressung wegen kostspieliger Bordellbesuche haben die Herren etwa im Angebot. Dies kann Frau Böhm mit ihrem Gewissen nicht mehr vereinbaren, sie versucht aber dennoch die gewohnte Contenance zurückzugewinnen.

Die Tatsache, dass schließlich ihre geliebte Hewaro AG von einem anderen Unternehmen geschluckt wird, macht dies aber alles andere als leicht. Auch die eben erst entstandene Freundschaft zwischen Böhm und Engel bekommt Risse. In Auseinandersetzungen darüber, wie die Übernahme zu bewerten sei, krachen die Positionen von Ira Engel und Rita Böhm aufeinander, Positionen, die in unterschiedlichsten Lebensrealtäten fußen: Für Böhm, die praktisch ihr ganzes Berufsleben im selben Betrieb verbracht hat und der somit auch ihr Lebensmittelpunkt wurde, ist die Übernahme eine Katastrophe und die horrenden Abfindungen und noch zusätzlich ausbezahlten Prämien empfindet sie als Hohn gegenüber der Belegschaft. Obwohl ihr Dr. Hochfeld durch einen Vergleich mit den durch die Übernahme gemachten Gewinne Prämien von über 80 Millionen Euro als lachhaft wenig verkaufen will, bleibt sie dabei: "So geht das nicht" (übrigens auch ein Lieblingssatz der Senta Berger-Figur Eva-Maria Prohacek) und Böhm weigert sich beharrlich das Geld aufgrund eines "Formfehlers" im Anweisungsprotokoll zu überweisen.

Ganz anders reagiert "Office Managerin" Ira Engel auf die hohen Prämien und Abfindungen. Die für ihren Job völlig überqualifizierte diplomierte Betriebswirtin und alleinerziehende Mutter, die selbst ein gewisses Widerstandspotential bei Frau Böhm freigelegt hat, zeigt sich nun mit der Geschäftsleitung kooperativ, findet sie sich doch aufgrund ihres Wissen über diverse Schieflagen innerhalb des Vorstandes plötzlich selbst auf der Prämienliste wieder. Engel, für die eine Festanstellung mit einem ihrer Ausbildung entsprechenden Job das höchste der Gefühle wäre und die sich bereitwillig auch keine Rente mehr erwartet, will auf die für sie bereit gelegte Prämie von 300.000 Euro nicht verzichten. Mit verstaubtem Vokabular bleibt Rita Böhm aber bei ihren Vorstellungen von „Anstand" und lässt Engels Ensolidarisierungsausreden nicht gelten.

Harter Stoff also in dem hervorragenden Fernsehfilm "Frau Böhm sagt nein", der von dem neoliberalen Alltag aus der Vostandsvorzimmer-Perspektive erzählt, die - und darin scheint die einzige Gemeinsamkeit zwischen Ira Engel und Rita Böhm zu liegen - noch immer vorwiegend Frauen vorbehalten ist. Umso lobenswerter, dass nun auch mal eine Erzählung aus dieser Perspektive vorgenommen wurde. Und Senta Berger war, wie immer, grandios. (Beate Hausbichler, dieStandard.at 27.10.2009)