Die nationale Aufwallung ist wieder einmal ohne größere Überraschungen vorübergegangen. Dem "Kurier" war zu entnehmen, dass die Sturheit der Österreicher, auf etwas stolz zu sein, wofür sie unter Garantie nichts können, weiterhin unerschüttert bleibt. 98 Prozent sind stolz auf Natur und Landschaft und immerhin noch 92 Prozent auf die Skisportler. Aber nur neun Prozent auf das, was sie sich zu einem erheblichen Teil selber einbrocken - auf die Politik. Man könnte das als höhere Einsicht deuten, wäre es nur auch Einsicht in die Notwendigkeit, auf diesem patriotischen Nebengebiet etwas für eine Aufwertung des Stolzkoeffizienten zu tun. Aber darauf kann man in einem Land, in dem sich ein großer Teil nationalen Stolzes, angefeuert von der "Kronen Zeitung", bis vor kurzem noch auf einen Karl-Heinz Grasser geworfen hat, lange warten.

Klammert sich das Kleinformat in dessen Fall ächzend zwar, aber hartnäckig an die Unschuldsvermutung, fällt es dem Kärntner Chefideologen wechselnder Herren auf einmal wie Schuppen von den Augen, wenn es um Haiders späte Sumpfblüten geht. Es ist traurig, daß man einen Toten nicht ruhen lassen kann, sondern durch die Umstände immer wieder genötigt wird, das altbewährte Rezept "de mortuis nil nisi bene" beiseitezuschieben. Aber die jüngsten Ereignisse um den Verkauf der Kärntner Hypo vor zwei Jahren machen nach dem Aufkommen des BUWOG-Skandals erneut Überlegungen notwendig, warum es im Umfeld des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider und seiner von der FPÖ abgespaltenen Partei in den letzten Jahren zu einer derartigen Fülle von Skandalen gekommen ist.

Anderswo hat man das gewusst, bevor er tot war. Wer da durch die Umständen immer wieder, und dennoch erst jetzt, genötigt wird, das altbewährte Rezept "de mortuis nil nisi bene" beiseitezuschieben, sieht sich, abspaltungsbedingt, in seiner tätigen Reue dadurch bestärkt, dass etliche aus dem Umfeld des Kärntner Landeshauptmannes noch media in vita weilen. Es ist natürlich Andreas Mölzer im FPÖ-Blatt "Zur Zeit". Plötzlich denkt man dann ein bißchen weiter zurück: Wie war das beim Kauf der Eurofighter? Da hat der Inhaber einer großartigen Werbeagentur namens Gernot Rumpold einen viele Millionen schweren Werbeauftrag erhalten. Und wie war das im Umfeld der FPÖ-Implosion von Knittelfeld? Da gab es dem Vernehmen nach doch eine großzügige Entschuldung des Gatten der Frau Vizekanzler, eines in Konkurs befindlichen Steuerberaters. Und alle, alle Beteiligten, die damals beinahe zum Ruin der FPÖ beitrugen, bekamen tolle Jobs: Frau Riess-Passer wurde Wüstenrot-Chefin, Herr Westenthaler bekam einen Spitzenjob bei Magna, Herr Reichhold ebenso, um dann in der ASFINAG auf Vorstandsniveau zu gelangen, Herr Grasser wurde ÖVP-Star-Finanzminister.

All das ist ebenso wenig neu wie, daß all die Genannten weitgehend vermögenslos in die Politik einstiegen, mit Hilfe der FPÖ in Spitzenämter gelangten und dann entweder mit Spitzenjobs versorgt oder durch anderweitigen Vermögenszuwachs - man denke an den Herrn Meischberger - aus der Politik ausstiegen. Die Ehrlichen und Anständigen in der FPÖ hätten nicht erst auf das Platzen der Buwog-Beule warten müssen, um zu erkennen: Es ist eine Frage der politischen Hygiene, all diese Dinge zu klären. Sie hätten es, bei ihrem Insiderwissen, längst selbst tun können, statt mit ihrem Sauberkeitsappell bis zum Nationalfeiertag zu warten. Ihnen geht es auch nicht etwa um die Ehre der Nation, nein, es ist eine Frage der Ehre für das Dritte Lager, aus dem der verstorbene Landeshauptmann - und der lebende Ex-Finanzminister - nun einmal kam, hier Licht ins Dunkel zu bringen. Wer es so heftig mit der Ehre hat, hätte sich längst fragen müssen, wie solche Typen im Dritten Lager nur emporkommen konnten.

Und in der österreichischen Politik. Sich dieser Frage zu stellen, hilft nun "Österreich" allen patriotisch gesinnten Landsleuten mit der originellen Umfrage Die 1.000 wichtigsten Österreicher. Politik bis Sport: Wählen Sie Ihre Menschen 2009. Einst gab man sich mit den 100 Wichtigsten, egal was, zufrieden, dann wurden es 500, auch schon 550 - vielleicht liegt es daran, dass die Wichtigmacher im Vormarsch sind. Den Start machen - aus Anlass des Nationalfeiertages - 100 Politiker, die uns 2009 am meisten bewegten. Darunter Politiker wie First Lady Margit Fischer und VfGH-Präsident Gerhart Holzinger. Die beiden könnten einen bewegen. Bei den 98 anderen wirkt das Auswahlkriterium Wer uns 2009 wirklich bewegte eher restriktiv. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 27.10.2009)