Um Welten schicker eingerichtet als Zuhause.

Foto: Art-Lodge

Im Innenhof wurde ein Bio-Swimminpool installiert.

Foto: Art-Lodge

Wenn das kein Empfang ist! Ein Berggasthof und daneben 22 Nackte-Männer-Skulpturen in der Auffahrt. Die Kärntner Art-Lodge ist eine Herausforderung für ihre Gäste. Aber wer wagt, gewinnt.

Foto: Art-Lodge

Es gießt ohne Unterlass, ein unerbittlicher, herbstlicher Schnürlregen. Das Auto kriecht die Serpentinen einer Bergstraße hoch, vorbei an verlassen aussehenden Frühstückspensionen aus der Prä-Wellness-Ära, wo Klo im Zimmer schon als des Luxus Gipfel galt. Ein trauriger Einser-Sessellift baumelt im Nebel. Die Kleinen quengeln, die Großen erörtern im Stillen bereits voll Grimm die Schuldfrage. Wessen Idee war das noch mal? Warum in Dreiherrgottsnamen musste es ausgerechnet Kärnten sein? Die Nockberge! In der Zwischensaison!

Dann die Ankunft: Ein leerer Parkplatz, ein dunkler Berggasthof, und daneben zweiundzwanzig Skulpturen - nackte Männer, die in gespenstischen Zweierreihen in der Einfahrt knien, erstarrt in einer ewigen Demutsgeste. Tolle Kunst, aber irgendwie deprimierend - jedenfalls bei dem Wetter. Die Stimmung hellt sich jäh auf, als die freundlichen Gastwirte herbeieilen und köstliche Minestrone kredenzen, und dann noch jäher, als die Tür zum Hotelzimmer aufgeht. Das reservierte Familienzimmer entpuppt sich als mittelgroße Wohnung, mindestens so kuschelig wie das eigene Zuhause, aber um Welten schicker eingerichtet.

"Wir hatten es satt, in Hotels immer schlechter wohnen zu müssen als daheim", sagen Katrin Liesenfeld-Jordan und ihr Mann Dirk, zwei frühere Werbeprofis aus Düsseldorf. Und weil die Liesenfelds noch so manches andere am internationalen Hotelwesen satt hatten (fragwürdige Weine aus der Minibar, überladene Buffets, schlechte Kunstdrucke an den Wänden), beschlossen sie, selbst ein Hotel zu eröffnen. Darin sollte nebenbei noch Platz für die umfangreiche Kunstsammlung des Paares sein.

Ein Gutshof im sonnigen Portugal war es, was ihnen vorschwebte. Doch zwei Jahre lang suchten sie vergeblich. Dann stießen sie im Skiurlaub auf ein Inserat, das ein 300 Jahre altes Bauerngut an der Verditzer Bergstraße zum Verkauf feilbot. "Wir kamen hier hoch und dachten zuerst: Mein Gott, ist das einsam", erzählt Katrin Liesenfeld-Jordan. "Und dann sahen wir den atemberaubenden Ausblick ins Tal und wussten: Das ist es."

Ein Jahr lang dauerte der Umbau, bei dem das frühere Ausflugsgasthof ein komplett neues Innenleben erhielt. An der Kuhstallmauer prangen jetzt Designerwaschbecken, die alte Wirtsstube bekam Marmortischplatten verpasst, aus dem Innenhof wurde ein schicker Bio-Swimmingpool. Mit viel Fingerspitzengefühl hat die Hausherrin Möbelstücke und Objekte aus dem alten Bestand renoviert und über die zwölf Gästezimmer verteilt. Dort lehnen jetzt zum Beispiel neben coolen Ledersofas alte Rennschlitten und nehmen sich aus wie Kunstobjekte. Im einstigen Stadl entstand ein großer Raum für Ausstellungen und ein kleines Studio, wo wechselnde Künstler für ein paar Wochen leben und arbeiten können.

Die ansässige Bevölkerung habe "uns Piefkes" anfangs mit Misstrauen beäugt, erzählen die Liesenfelds. Mal hieß es, der Rohrerhof werde in ein Bordell umgebaut ("jemand hat durchs Fenster geguckt und gesehen, dass wir die Bürowände rot streichen"), mal wurde der Afritzer Bürgermeister vor dem bevorstehenden Einzug der Bhagwan-Sekte gewarnt. "Dabei war nur mein Freund Stefan zu Besuch", erinnert sich Dirk Liesenfeld: "Der Gute greift nach zwei Flaschen Wein immer zur Gitarre und spielt lautstark ,Hotel California'."

Mittlerweile kommen die Düsseldorfer Immigranten ganz gut mit den Afritzern aus. Wobei es wenig Berührungspunkte gibt. Die lokalen Wirtshausbrüder hat Frau Jordan-Liesenfeld gleich nach der Eröffnung recht nachhaltig hinauskomplimentiert, und zu den Vernissagen und Veranstaltungen der "Art-Lodge" kommen vor allem kunstsinnige Städter.

Die stört es nicht, dass das Skigebiet winzig und die fünf Liftanlagen (zwei Schlepper, drei Sessellifte) etwas angejahrt sind: Im Gegenteil: Retro ist schick, erinnert an die eigene Jugend und man erspart sich den Après-Skiwahnsinn und DJ-Ötzi. "Unspoiled" sei die Gegend - so nennt es Katrin Liesenfeld-Jordan, und genau deswegen "total sexy". Und wen es nach mehr als 15 Kilometer Pisten gelüstet, der sei im Auto flugs in Bad Kleinkirchheim oder auf der Gerlitzen.

Ihr Mann bindet sich derweil eine Schürze um und verschwindet in die Küche. Viermal pro Woche hat das hoteleigene Restaurant offen. Autodidakt Dirk Liesenfeld kocht selbst, und das nicht einmal schlecht. Diese Woche ist Asien dran, es gibt Curry und ein wunderbar saftiges Tandoorihuhn. Erfreulich ist, dass auch das Kindermenü aus gesunden Zutaten besteht - Pommes frites und Wickie-Bernerwürstel kommen in der Art-Lodge nicht auf den Teller. Das einzige, was wirklich zu wünschen übrig lässt, ist die Weinkarte: Österreichische Weißweine wird man hier vergeblich suchen. Aber daran "müssen wir wohl noch arbeiten", verspricht die Hausherrin.

Wenn der Veltliner fließt, wird sie aber möglicherweise die im ganzen Haus verteilten Kühlschränke etwas häufiger auffüllen müssen. Dort können sich die Gäste selbst bedienen - mit Limonaden, Wasser, Bier und Wein. Nichts davon wird am Ende extra berechnet. "Wir wollen, dass sich die Leute nicht wie im Hotel fühlen, sondern als wären sie in einem Ferienhaus bei guten Freunden zu Gast", sagt Herr Liesenfeld.

Was insgesamt auch gelungen ist. Und was den Veltliner angeht: Zu guten Freunden kann man sich ja getrost einmal ein Fläschchen selbst mitbringen ... (Heidemarie Lackner/DER STANDARD/Printausgabe/24.10.2009)