Egal ob echt oder nur platonisch - das Verhältnis zwischen Onkels und Neffen ist nicht immer unbelastet, wie hierzulande sattsam bekannt. Vor allem dann nicht, wenn die Onkels versuchen, sich allzu heftig in die Aktivitäten der Neffen hineinzudrängen, diese gar zu manipulieren. In einem Fall war es nur die späte Erkenntnis unsagbarer Beliebtheit unter seinen engeren Landsleuten, die den Onkel davon abhielt, den Neffen länger mit seinem Drang zu Höherem zu nerven. Im anderen Fall ist die Sache noch offen. Der Versuch, im Herzen des Oheims allein mithilfe eines Briefes heimisch zu werden, erwies sich als nicht tragfähig genug, um sich dessen Unterstützung dauerhaft zu sichern. Steht nach einer Phase der Frustration nun die ersehnte Klimaerwärmung an?

Wäre es anders, des Oheims stets dienstbereiter Postillion hätte diese Woche wohl kaum dem lieben Willi Molterer nahegelegt, EU-Hoffnungen an den Nagel zu hängen, und das mit sachlicher Begründung. "Für mich sind Sie der österreichische Pallawatsch-Politiker par excellence, der den Pallawatsch anzieht, wie das Licht die Motte, und eigentlich tät's jetzt reichen"! Wie damals, als Sie Ihr unvergessenes "Es reicht" blökten und damit nahtlos vom Gusi-Molterer-Pallawatsch zum Faymann-Pröll-Pallawatsch überleiteten, der zum EU-Gespött wurde.

Da schwingt eine verhaltene Mahnung an den Enkel mit, nicht zu früh jenen Respekt vor dem Onkel fahren zu lassen, der einem dann intellektuelle Unterstützung wie diese einbringt: Aber leider, so wie's ausschaut, sind Sie davon meilenweit entfernt. Was für mich umso schwerer wiegt, als Sie einer Partei angehören, die Verantwortungs-Giganten wie Julius Raab und Leopold Figl hervorgebracht hat, die - da können Sie sicher sein - ob eines Willi Molterer jetzt in ihren Gräbern rotieren. Und das Ganze, fast schon brutal, auch noch garniert mit wenig freundlichen Pallawatsch-Grüßen. Vom Onkel, von wem sonst?

Ein Schreiber, der - da können Sie sicher sein - genau weiß, was sich in den Gräbern von Verantwortungs-Giganten abspielt, hat seinem Kollegen im Grabkammerl der Meinungsfreiheit einiges voraus. Statt zwei Meter unter die Erde kann der nur ein paar Wochen weit in die Zukunft schauen, gerade weit genug, um zu erkennen, dass die als Schlag gegen den Pallawatsch-Kumpel Pröll geplante Grundsatz-Rede des platonischen Neffen gar nichts anderes sein kann als ein Paukenschlag, getrommelt zu einem ideal gewählten Zeitpunkt. Wie dieses? Nämlich exakt ein Jahr nach Faymanns Angelobung zum Bundeskanzler, nachdem er in einer wilden Aufholjagd den Herausforderer Molterer von der ÖVP deklassiert hatte.

Deklassierungen waren auch schon einmal um Klassen markanter, aber jetzt - welche Erwartungen! Entsprechend hoch die Erwartungshaltung an den Faymann-Auftritt. Seine Rede an die Nation fällt nicht nur auf einen idealen Zeitpunkt, sondern auch in eine sensible Phase zwischen dem ersten und zweiten Advent. Dementsprechend sind drei Kernpunkte mit Sozialem, Europa und Umwelt fixiert.

Nicht auszudenken, welche Kernpunkte paukenschlagmäßig fixiert würden, müsste der wilde Aufholjäger seine Rede an die Nation zwischen Pfingsten und Mariä Himmelfahrt halten. Aber solange ihm der Onkel beisteht, könnte die SPÖ sogar dieses Problem lösen. Auf anderen Gebieten hapert es noch, wie der schriftgelehrte Redakteur ein paar Tage später enthüllte. Dafür legte er auf Seite 2 den Ausriss aus einer SPÖ-Broschüre vor. Schmied: Die Bildungsreform geht weiter. Utl: Jedes Kind, dass in Österreich zur Schule geht, muss Deutsch können.

Diese offizielle Aussendung der SPÖ-Zentrale samt schwerem Rechtschreibfehler erreichte uns Mittwoch kurz vor Redaktionsschluss, so C. P., hin- und hergerissen zwischen Verständnis für geplagte Mitarbeiter der SPÖ-Zentrale (schließlich wurde Laura Rudas vom Chef beauftragt, die SPÖ zu erlösen) und der Empörung über die unselige Rechtschreibreform. Kein Drama, wo gearbeitet wird, passieren Fehler. Nur dafür, wie Kinder ordentliches statt Bundes-Deutsch lernen sollen, wenn sie zur Schule statt in diese gehen, interessiert sich wieder einmal kein Schwein. Nicht einmal im österreichischen Unterrichtsministerium.

Deutlich weniger Aufmerksamkeit als das falsche Dass verdiente die Nebensächlichkeit auf Seite 4: Viel Ärger bringt Karl-Heinz Grasser seine Freundschaft mit Ex-FPÖ-Politiker Walter Meischberger. Aber keine Angst: Grasser weist die Vorwürfe zurück. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 24./25./26.10.2009)