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Foto: APA/Hochmuth

Da liegt Armin Thurnher einmal nicht richtig. Dass Auslandskorrespondenten in Österreich "nur mäßig angesehen" seien, stimmt nicht. Im neuen Österreich-Buch von Charles E. Ritterband, das seine Analysen und Reportagen für die Neue Zürcher Zeitung seit 2003 versammelt, treten "zum Geleit" gleich vier ehemalige Spitzenpolitiker an, um die Schweizer Qualitätszeitung zu verklären und (wie Heide Schmidt) zum x-ten Mal zu erklären, dass es in Österreichs Printmedien "nur wenige Lichtblicke" gebe. Ritterband wird also mit vorauseilendem Lob einbegleitet.

Und kann es beim Noch-einmal-Lesen nicht einlösen. Viele Lichtblicke können die Schwächen nicht verdrängen. Vor allem deshalb, weil Texte, die in einer international so renommierten Zeitung erscheinen, vom Rahmen profitieren. In einem Buch (wofür sie nicht geschrieben wurden) fehlt ihnen die Inszenierung.

Weshalb zum Beispiel Ritterbands Länderreportagen (z.B. jene über das Burgenland) ebenso banal daherkommen wie manche der unter "Wilde Bräuche" zusammengefassten Texte. Die bieder geschriebenen Tiroler "Winterdämonen" vertragen sich nicht mit dem sarkastischen "Maskentreiben" rund um die Grippe-Vorsorge der Andrea Kdolsky. Der kulinarische Aufsatz über die Sachertorte und ihre Konkurrenten vermittelt zu viel Bekanntes, überhaupt nichts Wildes, während die "Ganoven mit Pensionsanspruch" eine große Stärke des Korrespondenten dokumentieren:die kurze, glossenhafte Form.

Vor lauter "Österreichischem auf der Spur" haben Verlag und Autor einfach zu viel in dieses Buch gepackt, das den Schweizer Journalisten zwar nicht als Veranstalter von Expeditionen ausweist, wohl aber als Beobachter eines Landes, das man - mit Blick auf die Karikaturen vonMichael Pammesberger - manchmal treffender über Cartoons versteht als über Texte.

Bekanntlich fungierte Hans Peter Martin einmal als Korrespondent des Spiegel in Wien. Eine Nachfolgerin war Marion Kraske, die das zweite Österreich-Buch dieses Herbstes vorlegt. Ihre Spiegel-Texte hätten bei weitem kein Buch ergeben. Also hat sie extra eines geschrieben. Das Ergebnis ist ein Blick auf "Österreichs Merkwürdigkeiten" , die hierzulande den aufmerksamen Leserinnen und Lesern von Tages- und Wochenzeitungen geläufig sind. In der Zusammenfassung jedoch sind sie für den deutschen Lesermarkt sicher interessant.

Die Autorin kommt zu dem Schluss, dass derzeit eine politische Elite an der Regierung sei, der "augenscheinlich das Gehör und das Gespür für jene fehlt, die dem Land geistig Leben einhauchen" . Diese Literaten seien verstummt, konstatiert Kraske, vergisst jedoch, dass etliche von ihnen sehr wohl den Magazin-Boulevard mit "Vorabdrucken" und Interviews füttern. Sie bessern damit das Image eines maroden Journalismus auf, den sie tags darauf beklagen.

Wenn ein Zehntel eines Buches dem Phänomen Kronen Zeitung und Hans Dichand gewidmet wird, mag das bescheiden wirken, gemessen am Grad des Einflusses. Aber das, was in diesem Land jenseits des Falter, des Zentralorgans der Generation der 70er und 80er, noch geschrieben wird, ist auch bei Kraske unterrepräsentiert. Bei ihr kann nämlich nicht das Faktum gelten, dass ausländische Zeitungen deshalb so viel besser sind als österreichische, weil sie von ihren Fans gar nicht gelesen werden.

Wie überhaupt (nicht nur in diesen Büchern) eine Analyse des politischen Personals unter internationalen Gesichtspunkten fehlt.

Kürzlich sagte ein dänischer Diplomat bei einer Medienkonferenz im Ausland, er habe in Brüssel den Eindruck gehabt, Bundeskanzler und Vizekanzler Österreichs hätten Probleme mit der englischen Sprache. Ja, stimmt. Aus eben diesen Gründen sagen sie und der Wiener Bürgermeister auch die Teilnahme an Abendessen mit ausländischen Gästen gerne ab. Obwohl sie, noch viel lieber, aus Zeitungen anderer Länder zitieren - dazu Krone oder Österreich heranzuziehen wäre peinlich. Qualität wollen sie nicht zitieren, denn da wäre Onkel Hans womöglich böse.

In beiden Büchern überschattet Skurriles, Absurdes, Unglaubliches das Innovative der österreichischen Forschungslandschaft, die Qualitäten der Kulturproduktionen. Offenbar auch in den Gehirnen der Beobachter so stark, dass Ritterband wohl einen längeren Aufsatz über Franz Gsellmanns "Weltmaschine" schreibt, über den "steirischen Tinguely" , der Leser über Wissenschaftliches aus Ritterbands elektronischer Schreibmaschine aber nichts erfährt.

Auch die "Kärntner Verrücktheiten" rund um die Ortstafeln werden von Marion Kraskes Hamburger Kollegen keiner Zeile gewürdigt. Das seien "harmlose Sottisen" , teilt man ihr mit. Obwohl es sich um massive Angriffe auf die Verfassung gehandelt hat.

Auch in anderen Büchern über Österreich fehlt ein Phänomen, wofür das Land, zum Beispiel in Zürich, in Hamburg und in Berlin, beneidet wird - die Rolle des Burgtheaters. Vor wenigen Tagen sagte Matthias Hartmann, der neue Direktor, im Standard: "Ich komme zu der Überzeugung, dass wir, inkludiert in diesem Pentagramm zwischen Parlament, Rathaus, Bundeskanzleramt und Bundespräsident, politische Verantwortung übernehmen müssen."

Sicher wird er das anders interpretieren als seine Vorgänger Peymann und Bachler. Aber dass dem Burgtheater eine Führungsrolle zugewachsen ist, kann nicht mehr bestritten werden. In Zeiten wie diesen sowie angesichts der Führungsschwäche politischer Institutionen mag das Nationaltheater Halt bieten. Und Orientierung.

Dass Ritterbands Buch mit einem Hund am Cover beginnt (der Korrespondent, mit Fangnetz und Königspudel auf "Expedition" ) und mit Hunden endet (Reportage über die Wiener Hunde-Manie) ist tatsächlich eine Sottise. Aber eine, die halt zeigt, dass auch das Leben eines Korrespondenten von den wienerischen Neigungen und Niederungen abhängig wird. (Gerfried Sperl/DER STANDARD, Printausgabe, 24. - 26. 10. 2009)