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Foto: Reuters/Heinz-Peter Bader

Es wird vielleicht noch einige Tage dauern. Aber in den Machtzentren der ÖVP ist die Entscheidung bereits gefallen: Benita Ferrero-Waldner wird definitiv nicht die neue alte EU-Kommissarin aus Österreich. Die öffentliche Aufforderung des Nationalratsabgeordneten Ferry Maier sollte ihr verdeutlichen, was die schwarzen Granden von ihr erwarten - dass sie jetzt selber verzichtet und erklärt, sie stehe nicht zur Verfügung. Offiziell heißt das, Ferrero-Waldner müsse doch selber wissen, worauf es ankomme, nämlich sich "nicht zum Spielball der Innenpolitik zu machen".

Wir werden sehen, ob die Außenkommissarin dies öffentlich in Form einer Erklärung macht, um ohne Reputationsverlust aus der Vereinnahmung durch SP-Kanzler Werner Faymann rechtzeitig herauszufinden. Oder ob es plötzlich aus der Koalition eine Erklärung gibt, dass Ferrero-Waldner nicht mehr in Frage kommt als Kandidatin.

Wie ich an dieser Stelle bereits erwähnt habe, stehen derzeit die EU-Sterne für Wissenschaftsminister Johannes Hahn am besten. Er gäbe SP wie VP die Chance, die gelähmte Regierung umzubilden. In der Volkspartei schwindet langsam die Hoffnung, dass Wilhelm Molterer, den sich die Parteispitze nach wie vor wünscht, am Ende doch noch das Rennen machen könnte. Umso abschätziger fallen von Tag zu Tag die negativen Kommentare über Werner Faymann aus. Die Schwarzen halten ihn politisch inzwischen offenbar für halbtot.

Auf der anderen Seite des koalitionären Regierungsunternehmens ist man freilich auch nicht faul. "Reichlich dreist" nennt der steirische EU-Abgeordnete Jörg Leichtfried von der SPÖ die Mahnung des VP-Europaabgeordneten Ernst Strasser, der die Sozialdemokraten zum gemeinsamen Vorgehen in der Kommissarsfrage aufforderte und den Kanzler für Verzögerungen verantwortlich machte. Faymann habe "die erfahrene Kommissarin Ferrero-Waldner vorgeschlagen, die ÖVP hüllt sich in Schweigen", giftete Leichtfried. Sie solle Ferrero endlich zustimmen.

So kommt man nicht weiter. Somit ist die Nominierung des österreichischen EU-Kommissars definitiv in der Tiefebene der österreichischen Innenpolitik angelangt.

In eigener Sache eine kleine Dokumentation zu unserer Exklusigeschichte von gestern, wonach Bundeskanzler Werner Faymann am 17. September Kommissionspräsident Barroso am Rande des EU-Gipfels in Brüssel selbst Wilhelm Molterer und Johannes Hahn, nicht aber Ferrero-Waldner vorgeschlagen habe. Die Geschichte sorgte für einige Unruhe in Wien, brachte mir den Vorwurf ein, ich würde im Auftrag der ÖVP agitieren und eine Kampagne gegen den Bundeskanzler reiten. Keine Sorge. Der Standard bleibt unabhängig.

Wir sind nur der Auffassung, dass die Öffentlichkeit ein Recht hat zu erfahren, was sich hinter der Fasade und den Wortkaskaden der Politik in Österreich und in Europa wirklich abspielt. Damit wir, frei nach Erich Kästner, den Kakao, durch den man uns zieht, nicht auch noch trinken. Dafür ist auch dieser Europa-Blog da. Das ist für Journalisten mitunter unangenehm, wenn Druck von ganz oben ausgeübt wird. Aber das gehört zum Job. Ich sage nur Frühstück in Amsterdam.

Wie kam es also zum gestrigen Hin und Her um das Dementi des Kanzlers zum Molterer-Vorschlag? Meine Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid hat gestern Abend dem Kanzler persönlich dargelegt, dass wir völlig korrekt berichtet haben.

Donnerstag nach Mittag konfrontierte ich von Straßburg aus die Kanzler-Sprecherin mit dem Faktum, dass Faymann am Rande des EU-Gipfels in Brüssel am 17. Sepember Molterer und Hahn vorschlug, wie das mit dem ÖVP-Chef abgesprochen war, und dass er explizit nicht Benita Ferrero-Waldner nannte (die damals Tage danach um den Job der Unesco-Generalsekretärin kämpfte). Das wurde ebenso bestätigt wie das Faktum, dass Faymann und Pröll das zwei Tage vorher bei der Regierungsklausur in Salzburg vereinbart hatten.

Gegen 16 Uhr stellten wir die Geschichte online. Wenig später erreichte uns aus dem Kanzleramt folgende Berichtigung:

"Der Vorschlag Molterer Hahn wurde nicht bei der Regierungsklausur fixiert, sondern zwischen Faymann und Pröll am Rande der Klausur vereinbart. Das ist ein Unterschied."

Also nicht bei, sondern am Rande der Klausur. Kein Problem. An der Sache selbst gab es keine Beanstandung.

Eine Stunde später wurde der Kanzler im Parlament von Journalisten auf den Standard-Bericht angesprochen. Laut APA sagte er dazu: "Faymann selbst bestritt dies allerdings gegenüber Journalisten am Rande der Plenarsitzung des Nationalrats. Es sei während der vergangenen Wochen über viele Personen gesprochen worden, eine Liste mit Molterer und Hahn habe es aber nicht gegeben. Und es werde auch keinen 5er, 4er- oder 3er Vorschlag geben, sondern einen gemeinsamen Vorschlag der Bundesregierung. Unterstützt wird von ihm unverändert die bisherige Kommissarin Benita Ferrero-Waldner (V). Dies gelte umso mehr, als auch Barroso klar gemacht habe, in seiner Kommission Frauen besonders berücksichtigen zu wollen. Daher stünden seiner Einschätzung nach Österreichs Chancen auf ein bedeutendes Ressort auch besonders gut, wenn wieder eine Frau nach Brüssel entsandt werde."

30 Minuten später eine Aussendung der Kanzler-Sprecherin: "Wien (OTS) - Zu den in Medien kolportierten Gerüchten, es sei bereits ein Personalvorschlag an Kommissionspräsident Barroso ergangen, ist folgendes klarzustellen: Es kann kein Vorschlag über eine Ernennung des österreichischen Kommissars ohne einen Beschluss der Bundesregierung und des Hauptausschusses getätigt werden. Kommissionspräsident Barroso hat mehrmals festgestellt, dass nur ein Name von jedem Mitgliedssaat als Vorschlag zulässig ist. Darüber hinaus gibt es von ihm keinerlei Zusage bezüglich eines Ressorts. Alles weitere sind Gerüchte, bzw. Inhalte vertraulicher Gespräche, die an dieser Tatsache nichts ändern."

Als die Chefredakteurin den Kanzler mit der früheren Bestätigung konfrontierte hieß es, die Sprecherin habe "einen Fehler gemacht". Es seien nicht nur Molterer und Hahn bei Barroso zur Sprache gekommen, sondern mehrere Personen.

Mag schon sein, dass der Kanzler in den vergangenen Wochen mehrere Personen als Kandidaten ins Spiel gebracht hat: Aber das war nicht der Punkt unserer Geschichte. Wir wollten wissen, wie es kommt, dass der Kanzler vor vier Wochen bei Barroso selber Molterer vorschlägt, den er heute vehement ablehnt, aber Ferrero-Waldner damals nicht, für die allein er sich heute ausspricht.

Es wäre langsam an der Zeit, dass Vizekanzler ÖVP-Chef Pröll sich dazu äußerst. Alle Anfragen in diese Richtung blieben bisher unbeantwortet. Aber wir probieren es weiterhin.