Und (jetzt mögen sich die Schüssel-Gegner aller Länder festhalten): Für Österreich wäre das im Nebeneffekt eine extreme gute Chance, sich in der Gemeinschaft besser als bisher als ein zentrales, kerneuropäisches Land zu positionieren. Was man vom Ex-Kanzler hält, ist eine ganz andere Frage.
Wie ist die Ausgangslage? Der erste europäische Präsident wird von den Staats- und Regierungschefs vermutlich beim nächsten EU-Gipfel Ende Oktober designiert, wenn sich abzeichnet, dass Tschechien den Lissabon-Vertrag am Ende ratifiziert. Dieser Präsident hat eine Hauptaufgabe: Er übernimmt den Dauervorsitz bei Europäischen Räten, die den Staats- und Regierungschefs vorbehalten sind und reist um die Welt, wo er seinesgleichen trifft.

Auch wenn noch nicht genau festgelegt ist, was der Präsident im Detail tut, etwa welcher Apparat ihm zur Verfügung steht, ist eines ziemlich klar: Es muss eine Person sein, die Regierungserfahrung hat, möglichst langjährige; sie muss aus einer der beiden Volksparteien in Europa, also von Konservativen oder Sozialdemokraten kommen. Und, das wichtigste: Diese Person muss gute Kenntnis und Erfahrung in Europa-Politik haben.

Mit einem Wort: Die EU-Spitzen werden einen oder eine aus ihren Reihen wählen, einen regierenden oder einen Ex-Premier.

Dazu gibt es nun zwei Möglichkeiten: Entweder man einigt sich auf einen der Favoriten - dazu zählten lange Tony Blair (SP) und Jean-Claude Juncker (Christdemokrat).

Der Haken ist: Favoriten sind seit 1995 nie zum Zug gekommen in EU-Spitzenämtern. Stets gab es ein Land, das ein Veto einlegte.

So war das 1995, als John Major den Belgier Jean-Luc Dehaene als Kommissionschef verhinderte. Es wurde Jacques Santer. Und so war es 2004, als derselbe Tony Blair den Belgier Guy Verhofstadt blockierte, der ihm viel zu integrationsfreundlich war, Chris Patten als Gegenkandidat ins Rennen schickte, bis am Ende beide "tot" waren. So kam José Manuel Barroso zum Zug. Vorgeschlagen übrigens von einer "Zehnerbande" der Konservativen, unter denen auch der damalige Bundeskanzler Schüssel war.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es diesmal ähnlich laufen könnte. Und Schüssel hat viele Eigenschaften, die unter Regierungschefs gefragt sind. Er war lange Außenminister und Premier, hat zwei EU-Präsidentschaften Österreichs geleitet, und er ist in Europa in seiner Parteifamilie durchaus angesehen.
Gegen ihn spricht, dass er Jörg Haider an die Macht gebracht hat, dem die europäischen Partner nie getraut haben, der immer als rechtsextrem und nazi-angehaucht galt. Schwer denkbar, dass Frankreich, welches unter Jacques Chirac die diplomatischen Maßnahmen gegen Schwarz-Blau in Gang setzte, dem zustimmt, dass der Franzose Nicolas Sarkozy den Österreicher akzeptiert.

Aber andererseits: Die Zeiten haben sich geändert.