Wye Oak, Haxelsteller im Folk-Rock.

Foto: Hoanzl

WYE OAK
The Knot
(Merge/Hoanzl)
Dieses erstaunliche Duo aus Baltimore, Maryland, trotzt dem Fach des Folk-Rock eine der überzeugendsten Facetten seit langem ab. Faultiermäßig schlappert man im Morgenrock in die Songs hinein, um diese trotz diverser Detonationen ebenso lasch wieder zu verlassen. War was? Oh yeah! Dazwischen platzen Lärmeskapaden in die Melodien, wird schwerfälligen Rhythmen ein Riff vor die Füße geknallt, oder es sorgt ein kleiner Ausflug am Tasteninstrument für Momente der Einkehr. Oder eine Geige zieht bittersüß zum Firmament. Insgesamt ergibt das ein großartiges Album, das seine Kraft und Originalität aus Erkenntnissen des Hardcore ebenso bezieht wie aus der traditionellen Schule. Dabei wird um mehr als ein Eck gedacht, ohne die Ergebnisse dabei qualvoll ins Akademische zu schleppen. Bei aller hier hervorgebrachten Schönheit darf man davon ausgehen, dass es sich bei Andy Stack (Drums, Keyboard) und Jenn Wasner (Gitarre, Geisterhausgesang) um Fieslinge handelt, um Haxelsteller, die dafür sorgen, dass es einen beim ersten Hören von For Prayer ordentlich reißt. In seinem Fach - ein Album des Jahres!

DIAL M FOR MURDER
Fiction For Her Dreams
(Tapete/Hoanzl)
Wem die Wartezeit auf das nächste Interpol-Album schon zu lange dauert: Hier kommt Troststoff: Die Schweden David Ortenlöf und Andy Lantto bilden das nach einem Alfred-Hitchcock-Film benannte Duo Dial M For Murder, mit dem sie prächtig unterkühlten und dunklen New Wave spielen. Eine Spur elektronischer als Interpol, und möglicherweise bis ziemlich sicher besser als die New Yorker.

THE BIG PINK
A Brief History Of Love
(4AD/Edel)
Das britische Duo (Robbie Furze und Milo Cordell) verwebt auf seinem Debütalbum elektronische Beats mit Feedback-Gitarrenlärm zu hönigsüßen, erhaben wirkenden und druckvollen Minidramen, die dem erwachsen gewordenen Big-Beat-Freund ebenso gefallen sollten wie fortschrittlichen Anhängern von My Bloody Valentine.

LIKE A STUNTMAN
Original Beduin Culture
(Bureau B / Hoanzl)
Hinter dem seltsamen Namen Like A Stuntman verbirgt sich ein Vierer aus Hamburg, der hier so etwas wie die hörbare Version des Animal Collective gibt. Während die hochgelobten Amis sich in ihren eigenen Wirbeln bis zur Auflösung verlieren, halten LAS ihren ebenfalls an den Harmonien der Beach Boys angelehnten, scheppernden, elektronisch durchwachsenen Pop vergleichsweise stringent, kommen zum Punkt, zersetzen nicht alles und jedes und wären etwa via Warp Records vielleicht schon einschlägige Stars.

SHRINEBUILDER
(Neurot/Trost)
Göttliche Musik aus glorreichen Tagen, als wir Herren der Schöpfung unsere Herzensbeute noch mit der Keule jagten, um sie, einmal erwischt und an der Haarpracht in die Eigenhöhle befördert, auf dem Fell in all unserer Ungewaschenheit ... Na ja, Musik aus Tagen, als wir vorm Schlafengehen noch nicht Zähneputzen mussten. Musik aus einer Zeit, als Raulederhosen auf der zehntägigen Überlandtour auf dem Motorrad, noch ohne das Gesicht zu verziehen, auf nackter Haut getragen wurden. Ein Mann, ein Wolf! Musik aus dem dunklen Mittelalter des Rock, Abteilung stumpf und dumpf, Abteilung Black und Sabbath. Als Shrinebuilder unterhalten uns hier auf höchstem Niveau Scott Weinrich, Al Cisneros von Om, der fesche Dale Crover von den Melvins und Scott Kelly von Neurosis. Fünf ausladende Trümmer werden hier, in dunkler Pracht und dem Reinheitsgebot des gebirgszugsschweren Rock verpflichtet, als ewiggültige Enzyklopädie männlicher Selbstbeweihräucherungsrituale in die Neuzeit gewuchtet. Stellenweise herrscht so etwas wie Beschaulichkeit, da wird dann gar eine Akustische gezupft, was ein bisserl unmännlich klingt und deshalb auch nur bis zum nächsten Schwertkampf dauert. Ja, so könnte man ewig weiter träumen, zumindest so lange, wie dieses Brust-und-Keule-Album dauert. (flu / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.10.2009)