Dass die Demokratie von Bildern lebt, ist immer wieder hervorgehoben worden. Das zentrale Bild des öffentlichen Platzes, auf dem sich die Teilnehmer am politischen Gespräch trafen, haben wir aus der antiken Stadt übernommen. Wie stark es bis heute fortlebt, geht aus dem kanadischen Film L'encerclement hervor, in dem es um die "Einkreisung" der Demokratie durch die neoliberale Ökonomie geht. In dem Bild der Einkreisung steckt noch ein weiteres verborgen, nämlich das der Strangulation bis zum Tod.

Der Filmemacher Richard Brouillette wählt aber auch selbst eine Methode der Einkreisung. Er hat Gespräche mit Intellektuellen wie Noam Chomsky oder Ignacio Ramonet geführt und diese zu einem imaginären runden Tisch montiert, in dem eine kritische Bilanz des Neoliberalismus gezogen wird. Sparsam eingesetztes Archivmaterial leitet von einem "talking head" zum nächsten über, dazu helfen Kapitelüberschriften und inserierte Zitate, den langen Film mit seinen zahlreichen Wortbeiträgen zu gliedern.

Die Geschichte, zu der sich die Kritik hier formt, ist im Kern seit Keith Dixons Buch Die Evangelisten des Marktes (deutsch 2000) bekannt. Mitte des 20. Jahrhunderts formierte sich in Mitteleuropa unter dem Eindruck der Totalitarismen eine intellektuelle Bewegung, die am Mont Pelerin in der Nähe von Genf einen ersten wichtigsten Tagungsort fand. Zu den Teilnehmern der ersten Konferenz 1947 zählten Friedrich von Hayek, Milton Friedman oder Ludwig von Mises, aber auch ein Ordoliberaler wie der Deutsche Walter Eucken. Von hier aus entwickelte sich eine Reihe internationaler Thinktanks, die maßgeblichen Einfluss auf Regierungen wie jene von Margaret Thatcher oder Ronald Reagan nahmen.

In Richard Brouillettes Logik haben Ideenfabriken wie die Heritage Foundation einen komplementären Status zu NGOs wie Greenpeace, mit dem Unterschied, dass sie von den staatlichen Organen bevorzugt behandelt werden, weil diese eben selbst schon aus dem Geist von deren Ideologie handeln. L'encerclement strebt ein wenig zu sehr nach der großen, geschlossenen Erzählung, um der Folklore der Globalisierungskritik wirklich etwas Neues hinzuzufügen - spezifisch ist allenfalls sein prekärster Aspekt, nämlich eine gewisse Nähe zu kanadischen Dissidenzbewegungen im französischen Quebec, wo kultureller Nationalismus häufig der Fluchtpunkt der Kritik am neoliberalen Staat war.

Andererseits ist Kanada, das aus Sicht eines Populisten wie Michael Moore ja fast ein Modellstaat ist, tatsächlich ein besonders interessantes Beispiel für die (Des-)Integrationsprobleme des (Neo-)Liberalismus. (Bert Rebhandl, DER STANDARD/Printausgabe, 22.10.2009)