Brokerjet-Chef Dirk Piethe: "Traden kann man lernen."

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Die Online-Plattform Brokerjet hat eine "Trading-Schmiede" gestartet, um Anlegern die Dos and Dont's des Börsenhandels näherzubringen. "Jeder kann traden lernen" , sagt Vorstand Dirk Piethe zu Bettina Pfluger.

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STANDARD: Was ist der größte Fehler, den Privatanleger beim Traden machen können?

Piethe: Der größte Fehler ist mangelnde Disziplin. Die Erfahrung zeigt, dass Leute zu stark in Panik geraten oder bei Verlusten handlungsunfähig werden. Auch das Risikomanagement - also die Frage, wie man Risiken anschaulich und transparent macht - fehlt.

STANDARD: Was heißt Disziplin, wenn es ums Veranlagen geht?

Piethe: Der größte Feind der Disziplin ist die Gier. Wenn jemand sieht, dass er innerhalb von Wochen eine Rendite von zehn Prozent erreicht hat, wird ihm das nicht reichen, weil er glaubt, es geht so weiter. Hier beginnt die Disziplin. Wenn man einen bestimmten Prozentsatz erreicht hat, sollte man aussteigen und Gewinne mitnehmen. Die zweite Regel lautet: niemals auf nur einen Wert oder eine Branche setzen. Eine breite Streuung ist wichtig. Auch Verluste sollten begrenzt werden. Also: rechtzeitig aussteigen, wenn es runtergeht. Die Börse ist kein Spiel.

STANDARD: Was sind die wichtigsten Punkte, die man überlegen sollte, bevor man ein Depot eröffnet?

Piethe: Bei der Trading-Schmiede fragen wir als Eröffnungsaufgabe die Leute, was sie mit dem Depot erreichen wollen und wie viel Geld für die Vermögensbildung frei ist. Das ist wichtig, weil man sich bewusst werden muss, dass man dieses Geld auch verlieren kann. Wer für den Urlaub Geld braucht, sollte es statt in Aktien lieber auf das Sparbuch legen. Jemand, der unter Druck agieren muss, macht Fehler.

STANDARD: Geld verlieren tut aber weh. Wie soll ein Privater mit Verlusten umgehen?

Piethe: Man darf sich von den Emotionen nicht leiten lassen. Kunden sollten ein Trading-Tagebuch führen. Was kaufe ich warum, und in welcher Stimmung bin ich. Das klingt komisch, hilft aber zu verhindern, dass man sich von Nachrichten und anderen Investoren treiben lässt. Davon müssen sich Privatanleger unabhängig machen.

STANDARD: Wie viele Titel oder Produkte sollte man haben, um als Einsteiger den Überblick nicht zu verlieren, aber gut diversifiziert zu sein?

Piethe: Es gibt keine magische Zahl, aber drei bis fünf Titel machen Sinn. Neben Aktien sollten festverzinsliche Anleihen nicht fehlen, um das Depot stabil zu halten. Die Börse gibt kein schnelles Geld, aber sie bietet gute Chancen.

STANDARD: Geht es beim Traden immer nur ums schnelle Geld?

Piethe: Der Reiz ist da. Es gibt Profi-Day-Traider, die machen nichts anderes. Aber viele glauben tatsächlich, das schnelle Geld zu machen, indem sie heute einen Wert kaufen, den sie morgen wieder verkaufen. Es gibt ein paar Beispiele, wo es gelungen ist, mit wenig Startkapital exorbitante Erträge zu erzielen. Da gehört aber wie gesagt viel Disziplin dazu.

STANDARD: Wo liegt die Grenze zwischen Anlageerfolg und Selbstüberschätzung?

Piethe: Das ist eine Frage der Risikoaffinität. Jeder muss wissen, wie viel Risiko er sich zutraut. Bei unseren Online-Depots können Kunden nur Produkte kaufen, die in ihre Risikoklasse passen.

STANDARD: Es heißt, Frauen sind diszipliniertere Trader als Männer. Was machen Frauen anders?

Piethe: Meine Lebenserfahrung ist die, dass Frauen generell disziplinierter sind. Die Gier auf noch höhere Gewinne ist bei Männern größer. Männer wollen in ihrer Community Sieger sein, geben Schwächen nicht gerne zu. Auf Trends springen auch eher Männer auf.

STANDARD: Kaufen Frauen andere Produkte als Männer?

Piethe: Nicht wirklich. Aber Frauen recherchieren und hinterfragen Produkte mehr. Männer tun das weniger, dann müssten sie ja zugeben, das sie etwas nicht verstehen.

STANDARD: Was ist die wichtigste Börsenregel, ohne die man gar nicht erst traden sollte?

Piethe: Bevor man nicht weiß, was die eigenen Ziele sind, sollte man nicht anfangen. Man sollte vorher festlegen, bei wie viel Gewinn bzw. Verlust je Aktie man wieder aussteigt oder Stop-Loss-Limits setzt. Und man sollte sich fixe Zeiten nehmen für die Pflege des Depots. Das klingt zwar einfach, sind aber die Grundregeln. DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.10.2009)