"I am original" - In Social Networks eine Aussage, die nicht immer leicht zu überprüfen ist.

Laura Rudas ist nicht Laura Rudas - Wenn sie wollte, könnte sie dagegen vorgehen.

"Laurarudasspoe" twitterte fröhlich drauf los. Über die Studiengebühren, die Mindestsicherung und über Umverteilung. Drei Tage lang ging das Anfang Oktober so, und dann war Sendepause. Und bald merkte auch das Twitter-Universum, dass mít der virtuellen Laura etwas nicht stimmt, spätestens als sie zu den ÖBB meinte: "Lieber Ende der Luxusklassen und Freifahrt für alle Einkommensschwachen!" Die Laura, die sich einen Twitter-Account zugelegt hatte, war gar nicht die echte Laura.

Bei der SPÖ bestätigt man, dass es sich um einen falschen Account handelt und vermutet eine Aktion aus der ÖVP-Internet-Zentrale - diese weist die Vorwürfe zurück*. Unternommen habe man allerdings nichts gegen die gefälschte Laura Rudas, nachdem der "Fake" bereits nach drei Tagen das Twittern wieder einstellte.

Freibrief für Identitätsdiebe?

Persönlichkeitsklau im Internet - und das ganz ohne Konsequenzen? Freibrief für Identitätsdiebe? Da würden einige Netz-Skeptiker nur zu gerne in die Kritik einstimmen, die seit einiger Zeit immer wieder zu hören ist: "Das Internet" sei ein gefährlicher, undurchsichtiger und durch und durch rechtloser Raum, den man besser weiträumig umgeht. So titelte etwa das Magazin Spiegel vor einigen Monaten "Netz ohne Gesetz", und eine Redakteurin durfte diese Polemik dann auch noch im TV mit dem Argument rechtfertigen, das Internet sei bisher "wunderhübsch frei" von Gesetzen, so dass jeder tun und lassen könne was er will.

Der Mythos vom rechtsfreien Raum

Lukas Feiler, Vizedirektor des E-Center und IT-Sicherheitsexperte, kostet die Fama vom Netz ohne Recht nur einen müden Lacher. "Das ist ein Mythos, der eigentlich seit Ende der 90er Jahre entkräftet sein sollte". Wer im Netz einkauft, verkauft, chattet, postet, publiziert oder einfach surft, für den gelten Regeln - auch wenn, wie der Experte erklärt, nicht alle erst speziell für das neue Medium geschaffen wurden. Nehmen wir die gefälschte twitternde Laura Rudas: Das Recht am eigenen Namen gilt überall. Wenn jemand sich meinen Namen aneignet, kann ich auf Unterlassung klagen. Egal, ob das in einem elektronischen Medium oder sonst irgendwo passiert. Dafür ist kein neues Gesetz notwendig - nur die klassische juristische Tätigkeit, Gesetze auf Sachverhalte anzuwenden, die es noch nicht gab, als das Gesetz entwickelt wurde.

Beleidigte Lehrer mussten zurückstecken

Ebenso ist es mit der Freiheit der Meinungsäußerung. Weder darf man im Internet mehr sagen als sonst wo, noch entgeht man bei Äußerungen im Netz etwaiger Verfolgung. Das mussten etwa Lehrer zur Kenntnis nehmen, die sich auf der deutschen Lehrer-Bewertungs-Plattform spickmich.de von anonymen Postern beleidigt fühlten. Einige LehrerInnen erhoben Beschwerde, weil sie mit schlechten Noten beurteilt worden waren. Das deutsche Bundesgericht entschied gegen sie: Die Tatsache, dass eine Meinungsäußerung anonym erfolgt, bedeute nicht, dass der Schutz auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung entfällt oder weniger wert ist.

Recht ist ein bisschen langsamer als Technologie

Rechtsfreiheit ist es also keineswegs, die im Internet herrscht, wohl aber, so Feiler, gebe es noch Bereiche, die "von Rechtsunsicherheit geprägt" sind und neue gesetzliche Regelungen erfordern. Diese Lücken seien aber weitgehend unvermeidbar. "Recht kann sich, schon wegen der Komplexität des Rechtssetzungsprozesses, nicht so schnell entwickeln wie Technologie". In vielen Bereichen sei Österreich schon sehr auf dem Stand der Zeit, bei einigen gibt es Regelungsbedarf.

Wie streng haftet der Provider?

Feiler identifiziert zwei Bereiche, die in den nächsten Jahren Thema sein werden und legistisch aufgearbeitet werden müssen.
Erstens: Die Abwägung zwischen Datenschutz und Privatsphäre. Die Rechtslage in dem Bereich sei, so der Experte, nur beschränkt geeignet, um Probleme zu lösen.
Zweitens: Wie streng ist die Haftung des Providers, also desjenigen, der entweder die technischen Möglichkeiten oder die Plattform für Inhalte und Userbeteiligung zur Verfügung stellt?
In Deutschland ist die Judikatur Provider-unfreundlich, es werden sehr strenge Maßstäbe herangezogen - Österreich hat seinen Weg noch nicht definiert.

Klagen - aber nur mit dem nötigen Kleingeld

Wer auf Facebook, Twitter oder Myspace aktiv ist, kann sich also durchaus wehren, wenn er beleidigt wird, sich verleumdet fühlt oder sein Name missbraucht wird. Komplexer ist da schon die Frage, ob er oder sie auch die Chance auf eine erfolgreiche Klage hat - Gesetzestext hin oder her. Denn für die meisten Social Networks gilt US-amerikanisches Recht, österreichisches Recht kommt daher nicht zur Anwendung.

Da Unternehmen im Bereich Datenschutz in den USA so gut wie keine Vorgaben gemacht werden, kann, erklärt Feiler, "Facebook mit unseren Daten mehr oder weniger machen was es will - das steht auch so in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen". Und ein Gerichtsverfahren in den USA zu führen ist vor allem eines: Teuer.

Ausgehend vom Fall einer Ehrenbeleidigung, die jemand auf Facebook postet, muss man also unterscheiden, ob man das Portal selber oder den Ehrenbeleidiger klagen will - für zweiteres gilt nämlich nicht US-Recht, sondern österreichisches. Gut für den Kläger, erklärt Feiler - "denn das österreichische Recht ist ein sehr starkes Instrument". (Anita Zielina, derStandard.at, 21.10.2009)