Die FPÖ wähnt nicht nur Österreich, sondern das ganze "Abendland" in "Christenhand" und möchte, dass das auch so bleibt - und der Islam also möglichst weit draußen bleibt.

Foto: Heribert Corn, Der Standard

Wien - Plötzlich war sie Politikthema: Religion. Etwas unscharf definiert als "christliche", die es zu verteidigen gelte. Dafür sehr scharf abgegrenzt gegen die, die abzuwehren sei: den Islam. Mit "Abendland in Christenhand" hat die FPÖ bei der EU-Wahl 2009 die Indienstnahme von Religion vorexerziert.

Damit ist die FPÖ aber nicht alleine, war Montagabend der Tenor einer Veranstaltung der Initiative Weltethos Österreich (IWEO) zum Thema "Wider den politischen Missbrauch von Religion - Weltethos jetzt" (STANDARD-Redakteur Erhard Stackl moderierte) im Looshaus in Wien. Die weltweite Initiative geht zurück auf das "Projekt Weltethos" des Schweizer Theologen und Kirchenkritikers Hans Küng, das auf einen gemeinsamen Werte-Grundkonsens der Religionen der Welt abstellt.

Was aber, wenn sie vor dem Zugriff der Politik nie wirklich sicher sein können? Noch dazu, wo Religion "unübersehbar zu einem Global Player" geworden sei (in Europa allerdings auch eine "historisch beispiellose Schwundstufe" erreicht habe), wie der Vizepräsident der Stiftung Weltethos Deutschland, Karl-Josef Kuschel, sagte.

FPÖ übt sich in "Feindbildproduktion"

Der Tübinger Theologe führte die Unterscheidung zwischen "legitimer Instrumentalisierung und fragwürdiger Politisierung" ein. Es gehe darum, "für welche Zwecke" Religion genutzt werde, das Kriterium sei "die religiöse und ethische Kernbotschaft einer Religion", sei diese erhalten, sei es legitim. Die FPÖ-"Christenhand" sei "Feindbildproduktion", widerspreche dem christlichen Liebesgebot", ergo sei das Missbrauch.

IWEO-Präsident Anton Pelinka rieb sich an dieser Grenzdefinition. "Einigen wir uns auf Diskurs, den Prozess", empfahl der Politologe angesichts der "sehr säkularen und pluralen österreichischen Gesellschaft", die mit dem gepflogenen "grundvernünftigen Modell der Beziehung zwischen Religion und Politik" ganz gut fahre. Auch mit der fast hundertjährigen Anerkennung des Islam (seit 1912).

"Couragierte Individuen" gefragt

Das sah auch Fachinspektor Fuat Sanac vom Schulamt der Islamischen Glaubensgemeinschaft so. Er wünscht sich "das österreichische Modell für ganz Europa als Vorbild". Staatlich organisierter Islamunterricht sei wichtig, um den Jugendlichen "Identität und ein historisches Gedächtnis" zu vermitteln. Missbraucht werde Religion dort, "wo Krieg herrscht und wo es keine religiöse Autorität gibt".

Zuletzt war es an Heide Schmidt, der Gründerin des Liberalen Forums, "als Agnostikerin" auf das stärkste Immunisierungsmittel gegen politischen Missbrauch hinzuweisen: auf die "Wahrnehmungs- und Kritikfähigkeit und die Couragiertheit der Individuen". (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD-Printausgabe, 21.10.2009)