Pop-Songwriter Frenk Lebel präsentiert am Samstag sein Soloalbum "Poems. Contradictions" auf dem Wiener Yppenplatz.

Foto: Reinhartz

Sein Soloalbum "Poems. Contradictions" beweist dies.

Wien – Mit dem Album Beauty Case und unter dem Bandnamen Play The Tracks Of veröffentlichte der heimische Musiker, Sänger und Songwriter Frenk Lebel 1995 gemeinsam mit dem heute ins ernste Fach abgewanderten Klangkünstler Werner Möbius eines der ewig besten und bis heute gültigen Pop-Alben dieses Landes. Große, überlebensgroße und damit im Zweifel lebensrettende Dreiminüter.

Himmelhoch jauchzende und oft auch ein klein wenig betrübte Lieder voller großer, dringlicher Worte, Klänge und Gefühle, wie man sie von Frenk Lebels musikalischen Zieheltern The Beatles oder The Smiths kennt, oder auch von den stilprägenden elektronischen Barock-Disco-Königen Pet Shop Boys. Wie titelt ein alter Song der Smiths Mitte der 80er-Jahre so schön: How Soon Is Now?

Ein bisschen etwas von diesen musikalischen Ingredienzien findet sich in jedem Lied, das Frenk Lebel im Zweifelsfall auch allein mit Gitarre am Lagerfeuer singen kann. Popmusik, die über Generationen hält, muss im Zweifel auch auf der Wanderklampfe funktionieren. Frenk Lebel versteht es wie nur wenige in diesem Land, tatsächlich Popsongs als populäre Songs zu schreiben. "Populär" wie in: Wenn es sich mit der Hitparade ausgeht, bitte, sehr gern!

Diese im angloamerikanischen Raum seit Jahrzehnten eigentlich ganz selbstverständliche, weil positive Haltung kommt ohne ein exemplarisches österreichisches Verhaltensmuster aus. Der Umgang des (hierzulande noch dazu) spärlich erscheinenden Publikums mit noch lebenden heimischen Künstlern – und auch jener vieler Künstler untereinander – beruht auf Missgunst und Neid.

Das kann nix, wird nix, ist nix. Was soll das schon groß sein? Musikern, die jenseits der popkulturellen Alters-, nein, Lebensmüdigkeit von Ö3 etwas auf sich halten, entwickeln zudem oft eine strenge Undergroundattitüde und den Drang zum selbstgerechten Nischendasein. Der Rest ist berechnende Abzockermusik zwischen Hüttengaudi und Oldiesdisco.

Aufgeben gilt nicht

Oliver Welter von Naked Lunch oder Andreas Kump von Shy oder Andreas Steinitz alias Stootsie von The Seesaw und eben auch Frenk Lebel bilden da eine große Ausnahme. Wenn es aufgrund der Verweigerung eines breiten Ö3-Publikums, sich mit Popmusik einzulassen, die jünger als 20 Jahre ist, unmöglich erscheint, damit auch kommerziell in die Breite zu gehen, gilt nach einigen Alben und Tourneen und frustierenden Erlebnissen "im Betrieb" das Aufgeben trotzdem nicht.

Wir haben es auch bei Frenk Lebel mit einem Musiker zu tun, der Musik machen muss. Das ist kein Hobby, das ist Berufung.

Irgendwann wurde Play The Tracks Of mit Beauty Case in den späten 90-Jahren im Rolling Stone zwar als Popalbum des Jahres gewürdigt – und zwar im US-amerikanischen Rolling Stone -, irgendwann aber ging das Duo dann doch auseinander. Weil Dinge schief gehen – oder sich nicht ergeben. Lebel veröffentlichte im Stillen weiter mit großen dringlichen Gefühlen und wehmütigen Melodien gesegnete CDs, war Gitarrist bei den jüngeren Popkollegen Mauracher, gab Privatkonzerte, geriet mit der, ja schon wieder, himmelhoch jauchzenden und mit süßem Schmerz durchzogenen Demoversion des Songs Big Time unverhofft in die Jahrescharts von FM4. Als Übung in Lockerheit schrieb er unter anderem ein Lied für Christina Stürmer, konnte dem Teufel aber von der Schippe springen. Seit Jahren arbeitet Lebel auch als Musikvermittler mit Kindern und Jugendlichen und demnächst auch mit jungen Strafgefangenen.

Nach all den Jahren liegt nun das erste "reguläre" Soloalbum des 43-Jährigen vor. Pop im Cinemascope-Sound. Die zehn Songs von Poems. Contradictions kann man von ihren musikalischen Wurzeln her definitiv in Lebels Jugend festmachen. Gemeinsam mit Produzent Stefan Deisenberger, der sonst bei den obenerwähnten Naked Lunch musiziert, entstanden in der Mitte zwischen feinziseliertem Gitarren- und elektronischem Pop angesiedelte, klassische Popsongs wie eine Neubearbeitung von Big Time. Eine an die kühle melancholische Kunst der britischen Band New Order erinnernde Leidenshymne auf eine gescheiterte Beziehung, die man summen könnte, wenn man gerade nachdenklich in einer Freiluftdisco auf Ibiza tanzt, die Sonne aber bald wieder aufgehen wird.

Lebel, der einst als großer Naiver tituliert wurde, womit er gut leben kann, gibt sich mit schneidend-näselnder Gesangsstimme aber auch als überzeugter Melancholiker zu erkennen. Midtempo-Balladen wie Heart Of My Work oder Summer Is Over rühren zu Tränen. Große Worte, großes Album. (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 21.10.2009)