Auch gewählte Politiker haben ein begrenztes politisches Kapital, das sie zum Erreichen ihrer Ziele einsetzen können. Dieses Kapital ist begrenzt, und lässt sich nur sehr langsam wieder auffüllen. Jedes Gesetz, jede Reform kostet ein Stück dieses Kapitals, von dem dann für andere Vorhaben weniger vorhanden ist. Die Opportunitätskosten, aus der Wirtschaft bekannt, spielen in der Politik eine ebenso große Rolle.

Diese These bietet eine gute Erklärung für die Sommerkrise des amerikanischen Präsidenten. Möglicherweise hat Barack Obama das Ausmaß seines politischen Kapitals überschätzt und zu viel davon schon ausgegeben. Die Bankenrettung, das Konjukturpaket, die Übernahme von General Motors und vor allem die Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes hat die Kooperationsbereitschaft von konservativen Demokraten im Kongress ziemlich strapaziert. Nun stehen sie bei der Gesundheitsreform voll auf der Bremse, weil sie merken, dass ihre Wähler der ständigen Ausweitung der Staatsausgaben skeptisch gegenüber stehen.

"Obama's Big Bang could go bust" schreiben Mike Allen und Jim Vandehei in Politico.com. http://www.politico.com/news/stories/0809/26341.html Obamas Berater haben gedacht, die Wirtschaftskrise und hohe Popularität des Präsidenten biete die Chance für tief greifende Änderungen in der amerikanischen Politik, einen neuen New Deal. Aber sie haben sich vielleicht geirrt. Gerade in unsicheren Zeiten fürchten Wähler zu viele Veränderungen. Und anders als in Europa ist in den USA der Staat immer noch ein ungeliebter Mitspieler in der Sozial- und Wirtschaftspolitik.

Die hohen Kosten der Reformen dienen den Gegnern als schlagendes Argument. Die Zehn-Jahres-Prognose für das Budgetdefizit musste gerade deutlich hinaufgesetzt werden, und die Zahlen sind, auch wenn solche Berechungen äußerst ungenau sind, tatsächlich erschreckend.

Was hätte Obama anders machen können? Banken- und Konjunkturpakete waren unverzichtbar, und die Gesundheitsreform ist es eigentlich auch. Wahrscheinlich war das Klimapaket ein Vorhaben zu viel, das dem Weißen Haus nun viel kosten könnte. Das hören Europäer (und ökobewusste Amerikaner) nicht gern, die Obama bereits vorwerfen, seine Klimaversprechen nicht einzulösen und zu wenig zur Rettung der Welt zu tun. Aber auch Kritiker sollten sich stärker bewusst sein, dass politisches Kapital stets limitiert ist.

Bevor man aber Obama Naivität und Ungeschicklichkeit vorwirft, sollte man überlegen, was die Kommentatoren sagen würden, wenn Obama in diesen sieben Monaten nichts von all dem gemacht hätte und die starke demokratische Mehrheit im Kongress nicht genutzt hätte. Auch dies kann einem Politiker – und dem Land - schaden.

Das sollten auch europäische Regierungschefs wie Angela Merkel und Werner Faymann bedenken, die sich vor allem durch fehlenden Ehrgeiz auszeichnen und selbst vorhandenes Kapital nicht nutzen.. Wie anfangs gesagt, wer auf seinen Karten sitzen bleibt, wird ebenfalls nicht als Sieger aussteigen.