Zuletzt sprachen sich in Österreich Wirtschaftskammer-Chzef Christoph Leitl und führende Gewerkschafter dafür aus. Auch in anderen europäischen Staaten ist praktisch niemand dagegen.

Wenn eine Idee auf so breite Zustimmung stößt, dann ist meist etwas faul daran. Und tatsächlich ist die europäische Ratingagentur eine ganz miserable Idee.

Warum? Die US-Agenturen sind private, gewinnorientierte Unternehmen. Ihr Schwachpunkt ist der Interessenskonflikt, der dadurch entsteht, dass sie von den Emittenten der Wertpapiere bezahlt werden, die sie raten müssen. Da drückt man schon manchmal ein Auge zu, um einen Auftrag zu ergattern.

Die europäische Agentur müsste, da sie anfangs keine Gewinnchancen hat und ja einem politischen Wunsch entspringt, von der EU-Kommission oder von den Mitgliedsstaaten finanziert werden. Und diese würden sich sicherlich ein Mitspracherecht sichern. Schließlich verfolgen sie mit der Gründung ganz bestimmte Ziele.

Und jetzt muss man sich einmal vorstellen, wenn die Analysten in dieser Agentur griechische Staatsanleihen downgraden wollen – ein Schritt, der dem griechischen Fiskus Millionen an zusätzlichen Zinszahlungen kosten würde. Das würde ja gerade noch durchgehen, aber eine Warnung bezüglich französischer Staatspapiere? Das würde sich Nicholas Sarkozy kaum gefallen lassen.

Auch die Österreicher würden höchst pikiert reagieren und wohl heftig intervenieren, wenn die europäische Ratingagentur auf die Risiken der Banken in Osteuropa hinweisen würde. Selbst eine schlechtere Bewertung staatsnaher Unternehmen wie der OMV würde Faymann, Pröll & Co. auf den Plan rufen, und in Frankreich überhaupt zur Staatsaffäre hochstilisiert werden.

Selbst wenn das nicht offensichtlich geschieht, wäre die Glaubwürdigkeit einer solchermaßen politisierten Ratingagentur höchst niedrig. Und Ratings, die nicht geglaubt werden, sind wertlos. Die Staaten und Unternehmen müssten sich dann zusätzlich noch Ratings von den Amerikanern holen, damit sie ihre Anleihen im Markt platzieren könnten.

Denn was immer man Moody's & Co. auch an Fehleinschätzungen vorwerfen kann, sie sind von niemandem abhängig, gerade weil sie so groß und mächtig sind. Und weil ihre eigene Glaubwürdigkeit ins Zwielicht geraten ist, werden sie sich in Zukunft gewaltig anstrengen, solche Fehler zu vermeiden und keine Schönfärberei zu betreiben. Es mag unfair sein, aber die US-Agenturen bleiben die höchsten Autoritäten auf dem Kapitalmarkt.

Die europäische Ratingagentur wäre hingegen eine Todgeburt, und wenn sie doch zustande kommt, eine riesige Geldverschwendung. Vielleicht gelingt es einem Rating-Unternehmen auf dem Kontinent, eines Tages, den Amerikanern echte Konkurrenz zu machen. Auf Befehl der Politik aber wird das nie gelingen.