Seit Juni darf Österreich, genauer gesagt die Österreichische Qualitätssicherungsagentur (AQA), Unis und Studienprogramme in Deutschland akkreditieren. Noch gibt es keine Uni, die um die österreichische Qualitätssicherung angesucht hat, weil das Akkreditierungssystem beim Nachbarn erst 2008 reformiert wurde.

Das System in Deutschland und Österreich ist unterschiedlich: Während in Deutschland Agenturen Studienrichtungen akkreditieren, liegt das in Österreich in der Autonomie der Universitäten und einer Curricular-Kommission, die über Studiengänge und Studienpläne entscheidet.

Keine inhaltliche Einflussnahme

Prinzipiell gilt: Inhaltliche Einflussnahme ist bei der externen Akkreditierung nicht vorgesehen. „Wir haben ein Quality Audit entwickelt, in dem das Leistungsprofil der Hochschule berücksichtigt wird. Zum Beispiel, ob es eine Volluniversität oder Fachuniversität ist, und welches ihre Rahmenbedingungen - Stichwort Hochschulzugang - sind", sagt Alexander Kohler, Geschäftsführer der AQA im derStandard.at-Interview.

Fällt die Beurteilung positiv aus, erhält die Uni eine Zertifizierung - und hat dann was davon? „Ein internationales Qualitätslabel" einer Agentur, die einer deutschen gleichgestellt ist, sagt Kohler. Der Philosoph und Kritiker des Bologna-Systems Konrad Paul Liessmann hat Bedenken: „Für die AQA ist das die Erschließung eines neuen Geschäftsfeldes. Ob das prinzipiell was bringt, wenn externe Agenturen über Studienqualität oder -Angebote entscheiden, bin ich sehr skeptisch", sagt er im Gespräch mit derStandard.at.

Instrument gegen Kritiker?

Als erste und bisher einzige österreichische Hochschule hatte die Med-Uni Graz eine internationale Zertifizierung von der deutschen Agentur Aquin für das 2002 eingeführte Curriculum erhalten. Ein Effekt des Zertifikats war unter Anderem, dass internen Kritikern des neuen Studienplans der Wind aus den Segeln genommen wurde. Eine Methode, um umstrittene Vorgänge zu legitimieren?

„Das erinnert daran, wie es Beratungsagenturen für Unternehmen machen: Wenn man unliebsame Maßnahmen durchführen will, Massenentlassungen oder Ähnliches, dann holt man sich einen Unternehmensberater, der einem genau das vorschlägt. Das sind Ausweichmanöver", sagt Liessmann.

Kohler ist für Transparenz: „Ich glaube nicht, dass wir als Agenturen missbraucht werden, solange wir nach transparenten Standards arbeiten, die allen bekannt sind. Wir legen Wert darauf, dass in Akkreditierung- und Zertifizierungsverfahren auch die Kritiker zu Wort kommen. Was eine Universität intern mit dem Ergebnis macht, liegt nicht in unserem Entscheidungsbereich."

Vergleichbare Standards

Dass nun österreichische und deutsche Agenturen wechselseitig Unis akkreditieren können, ist ein Schritt hin zu einem „Europäischen Qualitätszertifikat", das die Agenturen anstreben. Das bedeutet aber nicht, dass es ein allgemein gültiges Zertifikat, von einem beliebeigen europäischen Land für eine beliebige europäische Uni erstellt, geben soll. „Es ist ein Schritt in Richtung der internationalen Anerkennung von Zertifikaten und Akkreditierungen. Es wird schwierig sein, ein oder wenige Zertifikate auf europäischer Ebene zu etablieren. Dafür sind die Hochschulsysteme und die Rahmenbedingungen zu unterschiedlich. Es geht darum, dass Zertifikate und Standards vergleichbarer werden. Wenn sich also eine österreichische Universität bei einer britischen Agentur akkreditieren lässt, soll klar sein, nach welchen Kriterien die britische Agentur arbeitet", sagt Kohler.

Einheitliche Qualitätssicherungsbehörde

Bevor es international wird, will man aber für die österreichischen Hochschulen einheitliche Zertifikate schaffen - indem sich der Fachhochschulrat, der Akkreditierungsrat und die AQA zu einer Institution zusammenschließen. „Geplant ist, dass es einen einheitlichen Rahmen für die Qualitätssicherung für die Universitäten, Fachhochschulen und Privatuniversitäten geben soll. Bisher gab es die verpflichtende Akkreditierung für die öffentlichen Universitäten nicht", sagt der AQA-Geschäftsführer.

Sollten staatliche Unis den hehren Ansprüchen nicht gerecht werden bedeutet das „Auswirkungen im Rahmen der Leistungsvereinbarungen, sprich: auf die Finanzierung", nennt Kohler eine Konsequenz. Sollte es also die Uni Wien treffen, würde das bedeuten: „Die Uni Wien zusperren, ganz einfach", sagt Liessmann ironisch. „Das ist eine Verbürokratisierung, die ich für unnötig halte. Ich brauche keine Zertifizierungsagentur um zu wissen, dass das Betreuungsverhältnis zwischen Professoren und Studenten in manchen Studienrichtungen katastrophal ist. Die Studienrichtungen Psychologie, Publizistik und die ganze Wirtschafts-Uni müsste man dann zusperren. Das wird natürlich niemand machen, also was soll das Ganze? Das Maß an Kontrolle steht in keinem Verhältnis mehr zu dem, was kontrolliert wird", sagt Liessmann. Wenn so ein Übermaß an Kontrolle da sei, müsse man sich fragen, wovor man eigentlich Angst habe, will Liessmann zum Nachdenken anregen. „Vielleicht hat man wirklich Angst vor der Freiheit der Wissenschaft, so wie immer." (Marijana Miljkovic, derStandard.at, 20. Oktober 2009)