Werner Faymann allein zu Haus: Während sein Vize Josef Pröll in Luxemburg weilte, rief der SPÖ-Chef im Kanzleramt Ferrero-Waldner zu seiner Favoritin aus.

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Straßburg/Wien - Die Sozialdemokraten erhöhen im Streit um den neuen EU-Kommissar den Druck auf die Bürgerlichen: Der Leiter der SPÖ-Delegation im EU-Parlament, Jörg Leichtfried, erklärte am Dienstag, dass seine Mannschaft - bestehend aus vier Mandataren - jedenfalls gegen den von der ÖVP präferierten Wilhelm Molterer stimmen werde, sollte er nominiert werden.

"Er ist der Falsche für diese Position, wir wollen ihn nicht als Kommissar" , sagte Leichtfried - und zwar, weil Molterer "den Kurs des Schüssel-Kabinetts" verkörpere. Außerdem kündigte er an, dass seine Gruppe diese "Überlegungen" in der Gesamtfraktion der SP vorbringe: "Es gibt daher das Risiko, dass an Molterer die gesamte Kommission scheitern könnte."

Hintergrund: Bei der Abstimmung im EU-Parlament können die Abgeordneten nicht einen einzelnen Kommissar, sondern nur die gesamte Kommission ablehnen. Die Anhörungen beginnen Ende November.

SPÖ erwartet "Rücksicht"

Vom STANDARD auf das Vorschlagsrecht der ÖVP für diesen Posten angesprochen, sagte Leichtfried: "Ich erwarte, dass der Koalitionspartner auf den Partner Rücksicht nimmt und dass er sensibel bei der Personalauswahl ist."

Im Gegensatz zur ÖVP, die sich mit ihrem Favoriten Molterer, einst selbst Landwirtschaftsminister, das hochdotierte Agrarressort in Brüssel erhofft, hält die SPÖ an der bisherigen EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) fest.

Ernst Strasser, Chef der schwarzen Delegation im EU-Parlament, rügte die SPÖ für "ihre seltsame Vorgangsweise" . Er forderte den Koalitionspartner auf, sich auch über die Vergabe zweier weiterer EU-Spitzenfunktionen Gedanken zu machen, die mit dem Lissabon-Vertrag anstehen: der Ratspräsident und der Hohe Vertreter für die Außenpolitik. Strasser: "Der Bundeskanzler soll auch diesbezüglich Namen bürgerlicher Kandidaten nennen." Sein Kollege Othmar Karas wiederum betonte: Sollte Kommissionspräsident José Manuel Barroso Österreich die Landwirtschaft anbieten, wäre "Molterer die geeignetste Person" .

Während ÖVP-Obmann Josef Pröll am Dienstag am Treffen der EU-Finanzminister in Luxemburg teilnahm und sich dort weiterhin gegen eine Festlegung auf den Kandidaten ausgesprochen hatte, pochte Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann nach dem Ministerrat in Wien dezidiert auf Ferrero-Waldner als Wunschkandidatin für den EU-Posten, denn: Sie habe in Brüssel als Außenkommissarin einen guten Job gemacht - und überhaupt erwarte er sich "einen respektvollen Umgang" mit ihr.

"Unbehagen mit Molterer"

Als Argument für ihre Bestellung führte Faymann ins Treffen, dass Ferrero-Waldner eine Frau sei, deshalb könne er sich auch nicht vorstellen, was die ÖVP gegen eine EU-Kommissarin habe, die die Partei selbst einst als Präsidentschaftskandidatin und vor kurzem als Bewerberin für den Unesco-Chefposten aufgestellt habe. Falls sich die ÖVP weiter auf Molterer versteifen sollte, werde er, Faymann, daher "gute Argumente für Ferrero-Waldner vorbringen" .

Die Drohung der SPÖ-Delegation in Straßburg, Molterer abzulehnen, wollte Faymann selbst nicht näher kommentieren. "Wir sehen das als Ausdruck eines Unbehagens mit Molterer" , ließ man dazu in seinem Büro nur ausrichten.

Vizekanzler Pröll wiederum kritisierte Faymann am Nachmittag indirekt für seine deklarierte Präferenz für Ferrero-Waldner: Es sei dem Kanzler unbenommen, Personalspekulationen anzustellen, "ob es unsere Stärke in Europa untermauert, sei dahingestellt" , sagte er.

Rügen kamen dafür von der Opposition. Die FPÖ und das BZÖ verliehen dem Koalitionsstreit um den Kommissar das Prädikat "letztklassig" beziehungsweise "peinlich" , die Grünen sprachen von einem "bösen Spiel" beider Parteien. (Thomas Mayer, Nina Weißensteiner/DER STANDARD-Printausgabe, 21.10.2009)