Bis vor einer Woche war der Name Raimondo Mesiano keinem Italiener geläufig. Der 57-jährige, aus Kalabrien stammende Jurist beschäftigte sich als Zivilrichter in Mailand mit Lärmbelästigung durch Diskotheken, Verkehrsunfälle und Besitzstreitigkeiten. Das änderte sich schlagartig, als Mesiano vor zehn Tagen Silvio Berlusconis Fininvest-Konzern zu einer Rekordstrafe von 750 Millionen Euro verurteilte. "Alles, was ich zu sagen habe, kann man in der 140-seitigen Urteilsbegründung nachlesen" , wimmelte er Journalisten ab. Der Premier, der von einem "skandalösen Urteil" sprach, bereitete das Terrain vor: "Über diesen Mann werdet ihr in den nächsten Wochen interessante Details erfahren." Wenige Tage später rückte das Morgenmagazin von Canale 5 den unliebsamen Richter ins Bild. Mit versteckter Kamera gedrehte Aufnahmen zeigten ihn beim Friseur, beim Spaziergang und beim Rauchen. Im Bericht wurde Mesiano als schrulliger Sonderling und Kettenraucher dargestellt, die junge Journalistin spottete über sein Aussehen: "Er trägt blaue Hosen, türkise Socken und weiße Mokassins, die in einem Gericht nicht angebracht sind."

Der Fernsehbericht löste einen Sturm der Entrüstung aus. Richterbund und Journalistengewerkschaft kritisierten die "mediale Attacke" als "skandalöse Verletzung der Privatsphäre" . Unvermittelt stiegen die türkisen Socken zu Symbolen zivilen Ungehorsams auf. Bei einer Talkshow streckte Oppositionsführer Dario Franceschini demonstrativ seine hellblauen Socken in die Kamera und appellierte an die Anhänger des Partito Democratico, seinem Beispiel zu folgen. Am Montag entschuldigte sich Claudio Brachino von Canale 5, bei Richter Raimondo Mesiano. Premier Berlusconi wies jede Mitschuld von sich. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 21.10.2009)